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18.05.2024

07.09.2018

Kompostierbare Polymerfolien entwickelt

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Wir Menschen haben bereits mehr als 8 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Jährlich kommen etwa 80 Mio Tonnen Verpackungen aus Plastik dazu, nur die Hälfte davon wird wiederverwertet, der Rest landet in der Müllverbrennung oder verschmutzt Wälder und Wiesen, Seen und Meere. Mit einer neuen Materialklasse, den bioORMOCER®en, ist Dr. Sabine Amberg-Schwab vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg einer Lösung auf der Spur.

Das weltweite Problem des Verpackungsmülls beschäftigt das ISC schon lange. "Wir sind stolz, mit unserer Forschung einen wertvollen Beitrag zu leisten, um den Plastikmüllberg zu verringern. Aber von einer Verpackungsrevolution würde ich nicht sprechen.", so Dr. Sabine Amberg-Schwab, "Mit unserer jahrzehntelangen Erfahrung bei der Entwicklung von Barriereschichten auf Verpackungsfolien auf der Basis von ORMOCER®en war es ein naheliegender Schritt, Beschichtungen für Folien zu erforschen, die biobasiert und biologisch abbaubar sind."

Mit der neu entwickelten Materialklasse, den bioORMOCER®en, werden die Schwächen der Biokunststoffe behoben und diese praktisch aufgerüstet: Auf dem Markt gibt es schon seit einiger Zeit bioabbaubare und kompostierbare Verpackungsmaterialien aus Zellulose sowie aus Polymilchsäure oder Stärke-Blends. Allerdings können diese Biopolymere nur bedingt eingesetzt werden, weil sie den verpackten Lebensmitteln keinen ausreichenden Schutz gegenüber Wasserdampf und Sauerstoff gewähren können. Das heißt, diese Materialien sind zu durchlässig für Wasserdampf, Sauerstoff, Kohlendioxid und Aromastoffe. Daher kann auch die erforderliche Mindesthaltbarkeit für diese Lebensmittel mit diesen Biopolymeren nicht garantiert werden.

Deshalb wurden diese Biokunststoffe mit speziellen biobasierten und bioabbaubaren Lacken aufgerüstet und in ihren Eigenschaften verbessert. So kann ausreichender Schutz gegenüber Wasserdampf, Gaszutritt und unerwünschtem Übergang von Fremdstoffen auf den Verpackungsinhalt erreicht werden. Kompostierbare Polymerfolien sollen so konkurrenzfähig gemacht und ihnen zu einer breiten Marktdurchdringung verholfen werden

Bislang wurden erste kompostierbare Beschichtungen entwickelt und Folien damit ausgerüstet. Diese Folien erfüllen alle gewünschten Eigenschaften wie etwa eine Wasserdampf- und Sauerstoffbarriere. Nach ihrem Einsatz zersetzt sich die beschichtete Folie vollständig unter den Bedingungen eines Komposts.

Das Projekt steht im Bereich Verpackungen vor einer großen Herausforderung. Konventionelle Kunststoffverpackungen auf fossiler Ausgangsbasis sind extrem günstig, weit entwickelt und optimiert. Die neuen Materialien können preislich noch nicht mithalten. Trotzdem ist Amberg-Schwab optimistisch: "Wir haben das Grundmaterialsystem entwickelt, jetzt suchen wir Firmen, die die Idee mit uns weitertreiben. Die Chancen stehen jedenfalls ganz gut: Im Rahmen der 'Circular Materials Challenge', bei der wir den 'New Plastic Innovation Prize' gewonnen haben, nehmen wir an einem zwölfmonatigen 'Accelerator-Programm' teil. Das bringt uns in Kontakt mit Firmen, die ebenfalls an der Entwicklung nachhaltiger Verpackungsmaterialien interessiert sind. Unsere ersten neuen kompostierbaren Beschichtungsmaterialien stehen für Versuche und weitere Optimierungen zur Verfügung."

Was bedeutet die Erfindung für die Natur und die Umwelt langfristig?

Der Ansatz hilft der Umwelt zweifach: Man greift auf biobasierte Ausgangsverbindungen zurück. Für die Beschichtungen können Lebensmittelabfälle oder Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung genutzt werden. Das schont die weltweiten Ressourcen. Dazu kommt, dass die bioORMOCER®e bioabbaubar und kompostierbar sind, im Gegensatz zu den gegenwärtig eingesetzten Kunststoffmaterialien auf fossiler Basis, die sich in der Natur nicht oder nur sehr langsam abbauen. Welche Folgen das hat, sieht man zum Beispiel an den Plastikteppichen in den Weltmeeren.

Natürlich sollte an möglichst vielen Stellen versucht werden, Verpackung zu vermeiden. Aber das wird nicht flächendeckend funktionieren. Für eine echte Verpackungsrevolution braucht es deshalb verschiedene Säulen. Verpackungen entwickeln, die kompostierbar sind. Verpackungen im Kreislauf behalten, recyceln und Verpackungen vermeiden.

Biologische Beschichtungen

Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg entwickelt seit Langem erfolgreich Barriere-Beschichtungen auf Basis von ORMOCER®en (anorganisch-organischen Hybridpolymeren). Diese Werkstoffklasse bietet gute Barriereeigenschaften gegenüber Gasen, Feuchte und Aromen. Die Weiterentwicklung zu den bioORMOCER®en erfolgt durch den Austausch nicht biologisch abbaubarer organischer Komponenten fossilen Ursprungs mit biologisch degradierbaren Anteilen biologischen Ursprungs.

Für ihre Erfindung haben ISC-Forscherin Dr. Sabine Amberg-Schwab und ihr Team in diesem Jahr in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum im Rahmen des "New Plastic Innovation Prize" die "Circular Materials Challenge" gewonnen. Hinter diesem Preis stehen die Ellen MacArthur Foundation und eine große Unterstützergruppe, zu der namhafte Unternehmen ebenso gehören wie NGOs oder private Förderer. Im derzeit laufenden EU-Projekt HyperBioCoat werden die nächsten Entwicklungsschritte gemacht - das Projekt mit zwölf Partnern aus Industrie und Forschung wird von der Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS koordiniert.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC)