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20.05.2024

23.11.2017

Krankmachende Bakterien frühzeitig entdecken

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Ob in Küchen, Leitungsrohren oder Beatmungsschläuchen - überall, wo es feucht und warm ist, können sich Biofilme bilden, also Schleimschichten von Bakterien und Pilzen. Manchmal setzen sie ganze Krankenhäuser unter Druck, weil sie resistent gegen Desinfektionsmittel und Antibiotika werden. Bakterien sind extrem anpassungsfähig, man könnte auch sagen "intelligent", und kommunizieren miteinander, um so erfolgreicher zu sein. Die Humanbiologin Dr. Mareike Müller aus dem Department Chemie - Biologie der Uni Siegen erforscht diese Kommunikation und das Verhalten der Bakterien. Das Ziel: ein Frühwarnsystem entwickeln, um die Entstehung von krankmachenden Biofilmen zu verhindern.

"Viele Bakterien sind als einzelne Zellen erst mal ungefährlich", erklärt Dr. Mareike Müller, die in der Arbeitsgruppe "Physikalische Chemie" von Prof. Dr. Holger Schönherr arbeitet, "wenn sie sich in Biofilmen organisieren, wird es schwieriger. 80 Prozent der krankmachenden Bakterien entwickeln sich nämlich in Biofilmen." Für ihre Untersuchungen arbeiten Müller und ihr internationales Team mit genetisch veränderten Bakterien, die von einem Kooperationspartner der NUS Singapur entwickelt wurden. Diese "Reporter"-Bakterien reagieren auf die Kommunikation anderer, krankmachender Bakterien, indem sie aufleuchten. "Bakterien geben dabei Signalmoleküle ab, das ist gewissermaßen wie Sprechen", verdeutlicht Arbeitsgruppenleiter Prof. Schönherr, "und sie empfangen diese Moleküle mit Rezeptoren, das ist dann wie Hören."

Die Reporterbakterien, die die Siegener Wissenschaftler nutzen, produzieren diese speziellen Moleküle nicht, so dass sie selbst nicht "in dieser Sprache sprechen können", sondern nur die Kommunikation der anderen, krankmachenden Bakterien "abhören". "Im Moment können wir das Leuchten der Reporterbakterien nur unter einem speziellen Fluoreszenzmikroskop sehen", erzählt Müller, "wir sind aber auf einem sehr guten Weg, Teststreifen zu entwickeln, die krankmachende Bakterien anzeigen, und zwar bevor die Bakterien einen Biofilm bilden. Das wird dann mit bloßem Auge erkennbar sein."

Die Forschungsarbeit erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Biologie, Chemie und Materialwissenschaft. Die Forscher Dr. Ping Li und Dr. Xiaoqiu Dou haben zum Beispiel zusammen mit Dr. Mareike Müller im Rahmen eines ZIM-Kooperationsprojektes mit der Siegener Firma Quh-Lab Lebensmittelsicherheit eine Hydrogel-Matrix entwickelt, die die Reporter-Bakterien verlässlich einkapselt und so vor äußeren Einflüssen schützt. Im Moment beschäftigen sie sich noch mit Reinkulturen, also mit Bakterien einer Art. Da es solche Reinkulturen im Alltag aber so gut wie nie gibt, sollen in Zukunft auch gemischte Kulturen beobachtet werden.

Aktuell hat Dr. Mareike Müller mit ihrer Nachwuchsgruppe im Rahmen des medizinnahen Forschungsprojekts "Untersuchung der Wirkung von Östradiol auf die Entstehung und Dynamik bakterieller Biofilme" vor allem den Zusammenhang zwischen Bakterien und einem weiblichen Hormon im Blick. Dieses Projekt wird durch das Gleichstellungsbüro der Universität Siegen gefördert. "Es ist auffällig, dass Frauen bei einigen Infektionen einen ungünstigeren Krankheitsverlauf zeigen, der mit der Entwicklung besonders robuster bakterieller Biofilme in Zusammenhang zu stehen scheint, die die Heilung bestimmter Infektionen erschweren", erklärt Müller. "Das könnte mit der Konzentration des Hormons Östradiol in Zusammenhang stehen." Wie hoch der Östradiol-Spiegel ist, hängt unter anderem vom weiblichen Zyklus ab. Mit den Forschungsergebnissen wären Ärzte in der Lage, die Behandlung bestimmter Infektionen anzupassen und individuell auf den einzelnen Patienten abzustimmen. Dass Bakterien auf menschliche Hormone reagieren, ist bekannt: "Salmonellen erkennen zum Beispiel Stresshormone", erklärt Müller, "sie wissen daher genau, wann der Mensch besonders angreifbar ist."

Quelle: Universität Siegen