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20.05.2024

13.04.2017

Materialwissenschaftliche Experimente ohne störende Schwerkraft

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Am 7. April 2017, startete die Forschungsrakete MAXUS-9 erfolgreich vom Raketenstartplatz Esrange bei Kiruna in Nordschweden. Nach rund 12 Minuten in der Schwerelosigkeit landete die wissenschaftliche Nutzlast anschließend wieder sicher am Fallschirm. Während des unbemannten Fluges wurden fünf wissenschaftliche Experimente durchgeführt, drei davon unter deutscher Leitung. An einem der Experimente war die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) maßgeblich beteiligt.

Werkstoffwissenschaftliche Phänomene in Metallschmelzen unter Schwerelosigkeit

Das Experiment fand im Rahmen des Projekts "In situ X-ray monitoring of advanced metallurgical processes under microgravity and terrestrial conditions (XRMON)" statt, das von der europäischen Weltraumorganisation ESA gefördert wird. Die BAM untersucht zusammen mit ihren Forschungspartnern werkstoffwissenschaftliche Phänomene in Metallschmelzen unter der Bedingung der Schwerelosigkeit: Mit Hilfe der Röntgenradiographie sollen Erkenntnisse über metallurgische Prozesse in Metallschmelzen in situ gewonnen werden.

"Die Störgröße 'Schwerkraft' auszuschließen ist wichtig, weil nur so Referenzdaten für Diffusionskoeffizienten gemessen werden können. Während des Experiments konnten wir sehr gut beobachten, wie die Diffusion störungsfrei stattfand", sagt Dr. Axel Griesche aus der Abteilung Komponentensicherheit der BAM.

Axel Griesche ist Mitinitiator des Projektes, in dem er mit Forscherkollegen und Industriepartnern aus sechs europäischen Ländern zusammenarbeitet. Von den Ergebnissen des Experiments erhoffen sich die Forscher detaillierte Einsichten in die Grundlagen von Erstarrungsvorgängen in Metalllegierungen. Mit diesen Erkenntnissen können Modelle verbessert werden, die heutige Simulationsprogramme z. B. für die Vorausberechnung der Mikrostrukturbildung beim Erstarren verwenden.

Wissenschaftler beobachten Vorgang live auf Monitoren

Die Forscher aus der BAM und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) konnten im Experiment XRMON-Diff2 während des Raketenfluges von MAXUS-9 in Echtzeit beobachten, wie sich Metallschmelzen ohne den störenden Beitrag von Auftriebskonvektion "rein diffusiv" vermischten. Die Auftriebskonvektion tritt in Gasen oder Flüssigkeiten unter Einwirkung der Schwerkraft auf: Leichte Moleküle steigen nach oben, schwere sinken nach unten. Die wissenschaftliche Herausforderung im Experiment bestand darin, die Diffusion, also die Vermischung, ohne Einfluss der Auftriebskonvektion zu beobachten. Die Wissenschaftler verfolgten den Vorgang live auf Monitoren im Kontrollzentrum. Die Messungen wurden an geschmolzenen Legierungen aus Germanium-Silizium und Aluminium-Titan durchgeführt.

MAXUS-9 startete fast genau sieben Jahre nach seinem Vorgänger, MAXUS-8. Wie bei früheren Missionen sind auch jetzt zahlreiche europäische Partner beteiligt: Die ESA finanziert die Rakete und die Experimentmodule, Airbus DS ist für die Gesamtprojektleitung zuständig, Swedish Space Corporation (SSC) ist der Betreiber des Raketenschießplatzes, Industriepartner aus ganz Europa sind ebenfalls beteiligt.

Weitere Experimente des Raketenfluges beinhalteten die Untersuchung des Einflusses der Schwerkraft bzw. Schwerelosigkeit auf Kleinstlebewesen, auf die Ausbreitung von Flammen in Treibstoffen sowie auf die Erstarrung von Legierungen aus Titan-Aluminium.

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Quelle: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)