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20.05.2024

11.01.2017

Reizbare Kunststoffe für smarte Filter und Sensoren

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Zwei Arbeitsgruppen an der Technischen Universität Darmstadt entwickeln intelligente synthetische Materialien, die auf äußere Reize reagieren. Solche schaltbaren Polymere kommen als Sensoren oder intelligente Filter in Frage. Lehrmeisterin ist die Natur.

Juniorprofessorin Dr. Annette Andrieu-Brunsen vom Fachbereich Chemie funktionalisiert die nanometergroßen Poren einer Keramik-Membran mit einer ultradünnen Schicht aus schaltbaren Kunststoffen und steuert darüber den Transport von Ionen und kleinen Molekülen. Dr. Markus Gallei, Nachwuchsgruppenleiter am Ernst-Berl-Institut für Technische und Makromolekulare Chemie greift zu schaltbaren Polymeren und lässt durch Selbstorganisation photonische Kristalle und poröse Membranen entstehen, deren Gitterstrukturen und Poren im Bereich des sichtbaren Lichts liegen. Die schaltbaren Eigenschaften bestimmt er über die Wahl der Ausgangsmaterialien.

Andrieu-Brunsens Technologie-Plattform könnte für die Detektion und Entfernung von Schwermetallionen oder anderen kleinen Molekülen genutzt werden, Galleis Plattform bietet sich für die Detektion und Entfernung von Verunreinigungen aus dem Trinkwasser oder optische Sensoren an, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wir sprachen mit beiden über die Zukunft und die Herausforderungen ihres Arbeitsgebietes.

Dr. Gallei, es gibt noch keine kostengünstigen, kommerziell erhältlichen Kunststoffmembranen mit Porengrößen von 5 bis 100 Nanometern, die auf äußere Reize reagieren. Im Moment wird damit noch hauptsächlich im Labor gearbeitet. Welche Probleme müssen noch gelöst werden, damit diese Produkte von der Industrie aufgegriffen werden?

Markus Gallei: Das Problem liegt bei den immensen Anforderungen an die Polymerisationstechnik. Wir brauchen eine einheitliche Funktionalisierung der Porenwände, damit diese einerseits offen bleiben, andererseits aber auch durch externe Reize gezielt geschaltet werden können, um Stoffe zu trennen. Das erfordert eine hohe Kontrolle über die Struktur der verwendeten Polymere. Außerdem muss das sogenannte "Fouling" verhindert werden. Darunter versteht man die Besiedlung der Materialen mit Mikroorganismen, was in Flüssigkeiten leicht passieren kann. Es gibt inzwischen einige vielversprechende Ansätze, um das Problem zu lösen. Kritisch ist allerdings auch, dass die Polymer-Synthesen skalierbar sein müssen, um für die Industrie interessant zu sein.

Professor Andrieu-Brunsen, biologische Membranen transportieren Substanzen selektiv, in eine Richtung und wenn nötig unter Einsatz von Energie. Werden mit Kunststoff funktionalisierte, poröse Membranen je an die Leistungsfähigkeit einer biologischen Membran herankommen?

Annette Andrieu-Brunsen: Wir nutzen die Natur als eine Inspirationsquelle. Es geht um Anforderungen im Kontext, nicht um Universallösungen. Wir können den Porenzugang für bestimmte Moleküle schon zeitlich steuern, aber wir haben noch Schwierigkeiten, die Richtung des molekularen Transports durch die Mesoporen zu steuern. Dafür braucht man eine Konformationsänderung oder einen winzigen Gradienten, an dem entlang sich die Moleküle bewegen. Allerdings können synthetische poröse Systeme auch besser sein als ihre natürlichen Vorbilder, denn sie sind auch bei höheren Temperaturen und in Lösungsmitteln stabil. Von der Komplexität und der Erneuerbarkeit her gesehen, werden wir wahrscheinlich nicht an die Natur herankommen.

Dr. Gallei, glauben Sie, dass man eines Tages Computer aus optischen Materialien konstruieren wird? Kein Trägermedium transportiert Informationen schneller als Licht. Werden wir bald einen optischen Computer haben?

Gallei: Ja, allerdings steckt die Forschung dazu noch in den Kinderschuhen. Glasfasernetze werden zwar schon für ein schnelles Internet benutzt, aber Licht kann nicht gezielt gesteuert oder um die Ecke gelenkt werden. Mit den derzeitigen Materialien würde ein Teil der Information unweigerlich verloren gehen. Wir müssen daher erst neue schaltbare Materialien mit einer nahezu perfekten räumlichen Anordnung der Komponenten entwerfen, um ernsthaft an einem optischen Computer arbeiten zu können. Wir verfolgen einen interdisziplinären Ansatz zur Herstellung solcher Materialien aus Polymeren und anorganischen Komponenten. Diese Strategie könnte den Grundstein für gänzlich neue Anwendungen in der Optik und Sensorik legen.

Quelle: Technische Universität Darmstadt