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20.05.2024

13.06.2016

Software zur Simulation von Röntgenlasern entwickelt

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Röntgenaufnahmen mit atomarer Auflösung von einzelnen Biomolekülen zu machen ohne vorher Kristalle zu züchten - das gilt als der "Heilige Gral" der Strukturbiologie. Denn Kristalle züchten kann extrem zeitaufwändig oder in manchen Fällen gar unmöglich sein. Die sogenannte Einzelpartikel-Abbildung (Engl.: single-particle imaging) könnte in zahlreichen Forschungsbereichen neue Möglichkeiten öffnen, zum Beispiel in der Arzneimittelforschung und den Umweltwissenschaften. Ein neues Softwarepaket erlaubt den Forschern nun, die besten Bedingungen für die Abbildung beliebiger einzelner Teilchen zu finden. Es handelt sich um die erste Computersimulation eines kompletten Experiments an einem Freie-Elektronen-Röntgenlaser - von der Erzeugung der Röntgenstrahlung bis zur Auswertung der Daten. Das internationale Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern von European XFEL beschreibt, wie die Software funktioniert und wo sie eingesetzt werden kann.

Das neue Programmpaket "simS2E" ist ein bedeutender Fortschritt für die Modellierung von Experimenten zur Abbildung einzelner Partikel. Bisherige Simulationsprogramme in der Röntgenforschung konzentrierten sich auf einen einzigen Schritt innerhalb des Experiments. Sie betrachteten meist eher ideale Szenarien und nicht die komplexen Bedingungen eines realen Freie-Elektronen-Röntgenlaserexperiments. Im Gegensatz dazu umfasst simS2E alle Schritte eines Experiments und berücksichtigt, wie jeder Schritt die nachfolgenden beeinflusst. Dieses genauere Modell hilft den Forschern herauszufinden, wie die Abbildung einzelner Teilchen durch Röntgenlaser gelingen kann. Weltweit kommen nur wenige wissenschaftliche Instrumente für die Abbildung einzelner Partikel mit hoher Auflösung in Frage - darunter das im Aufbau befindliche Instrument SPB/SFX am European XFEL. Das Simulationspaket kann Wissenschaftler dabei unterstützen, die optimalen Einstellungen vorab zu bestimmen und so die begrenzte Experimentierzeit an den Instrumenten deutlich effizienter zu nutzen.

"Wir haben eine umfassende Simulationspipeline entwickelt, die jeden Schritt eines Einzelpartikel-Abbildungsexperiments simuliert, von der Quelle bis zur Analyse", erklärt Adrian Mancuso, leitender Wissenschaftler bei European XFEL und Leiter des simS2E-Teams. "Damit können Forscher die investierte Zeit besser nutzen, denn mit Hilfe der Simulation lassen sich die bestmöglichen Parameter zur Abbildung einzelner Teilchen in kürzester Zeit ermitteln - und hoffentlich auch die besten Daten aus dem realen Experiment herausholen." Die Software hat bereits nützliche Informationen geliefert und die Simulationen stützen beispielsweise die theoretische Vorhersage, dass kürzere Röntgenpulse bei solchen Experimenten einfacher zu interpretierende Daten liefern sollten.

Bei der Entwicklung von simS2E - der Name steht für "Simulation von der Quelle (Engl.: source) bis zum Experiment" - nutzte das Team die besten an Forschungszentren weltweit entwickelten Simulationen einzelner Experimentierschritte, zum Beispiel zur Röntgenlichterzeugung durch Elektronen oder zur Probenbereitstellung, und speiste die Ergebnisse jeder Simulation als Eingabe in die nächste Simulation ein. Der letzte Programmteil ist eine Datenanalyse, wie sie für das SPB/SFX-Instrument geplant ist. Einzelne Simulationen des Pakets können leicht ausgetauscht und an andere Experimente, Instrumente und sogar andere Anlagen angepasst werden, wodurch sich simS2E nicht nur für die Einzelpartikel-Abbildung, sondern auch für andere Experimente als nützlich erweisen könnte.

Zum simS2E-Team zählen Wissenschaftler von European XFEL, DESY und CFEL in Deutschland; dem SLAC National Accelerator Laboratory in den USA; dem Shubnikov Institute of Crystallography in Russland; IFJ-PAN in Polen; und der National University of Singapore. Das Simulationspaket ist Teil einer von Mancuso geleiteten Initiative zur Simulation von Röntgenexperimenten im Rahmen des EU-Projekts EUCALL. Die Software steht zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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» Originalpublikation

Quelle: European XFEL GmbH