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20.05.2024

18.02.2015

Neue Erkenntnisse zur Protein-Phosphorylierung durch Tandem-Massenspektrometrie

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Proteine sind Verwandlungskünstler: Je nach Bedarf werden sie in den Zellen umgeformt, aktiviert oder abgeschaltet. Diese lebenswichtigen Modifikationsprozesse werden schon lange erforscht, manche werden allerdings erst in jüngerer Zeit durch neuere Analysemethoden zugänglich. Die Gruppe von Christian Hackenberger am FMP hat nun eine Methode entwickelt, mit der sich Lysin-Phosphorylierungen an Proteinen nachweisen lassen. Damit können nun potentiell neue Regulationsmechanismen im dynamischen Feintuning der Zelle erforscht werden

Ob als Strukturelemente, Enzyme, Antikörper oder Rezeptoren: Proteine sind die Knetmasse des Lebendigen. Aus etwa zwanzigtausend verschiedenen Proteinen setzt sich ein menschlicher Körper zusammen, die Abfolge der Aminosäureketten ist im Erbgut festgeschrieben. Der Bauplan der Gene ist allerdings erst ein Grundgerüst: Durch eine Vielzahl molekularer Veränderungen werden Form und Funktion der Eiweißstoffe weiter präzisiert.

Ein besonders prominentes Beispiel sind Phosphatgruppen, die von speziellen Enzymen an Proteine angehängt und wieder abgespalten werden. Durch die negative Ladung der Phosphatgruppe ändert sich die Struktur der Proteine, auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Enzyme an- und abschalten. Damit übernimmt die Phosphorylierung, d.h. die Verknüpfung der Phosphatgruppe mit dem Protein, eine zentrale Steuerfunktionen im Organismus, Fehler hierbei können zu verschiedenen Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer führen. Gut erforscht sind Phosphatgruppen, die an neutrale Aminosäuren wie Tyrosin durch sogenannte Kinasen angehängt werden. Daneben gibt es schon seit Jahrzehnten Hinweise, dass Phosphatgruppen auch an die basischen Aminosäuren angeheftet werden. Diese Verbindungen sind allerdings so instabil, dass die Suche nach ihnen bislang der Jagd nach einem Phantom glich.

So wusste man über die Phosphorylierung der Aminosäure Lysin seit dreißig Jahren nicht viel mehr, als dass es sie geben muss und dass sie womöglich eine wichtige biologische Rolle spielt. "Um einen zuverlässigen Nachweis zu entwickeln, mussten wir erst einmal über das verfügen, was wir messen wollen - wir mussten also Peptide, das sind kurze Proteinsequenzen, mit phosphoryliertem Lysin herstellen", erklärt Christian Hackenberger. Der Vorteil ist, dass für die Synthese solche Peptide etablierte Methoden existieren. Allerdings kommt dabei immer Säure zum Einsatz, was die labile Lysin-Phosphorylierung unweigerlich zunichtemacht.

Jordi Bertran-Vicente, musste daher zusammen mit seinen Kollegen einen ganz neuen Syntheseweg entwickeln: Anstelle der Phosphatgruppe fügte er zunächst einen säurefesten "Platzhalter" ein, der sich dann später unter milderen Bedingungen gegen Phosphat austauschen lässt. Mit dieser Methode ist es nun erstmals möglich, Peptide zu synthetisieren, bei denen selektiv jeweils nur ein Lysin an einer bestimmten Position phosphoryliert ist. Mit Hilfe der synthetischen Peptide konnte die Gruppe dann in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Eberhard Krause auch eine Methode zum Nachweis solcher labilen Phosphorylierungen entwickeln, bei der modernste Tandem-Massenspektrometrie basierend auf sogenannter electron-transfer dissociation (ETD) zum Einsatz kam. Dabei werden Biomoleküle zunächst schonend ionisiert, dann in einem elektrischen Feld anhand ihrer Masse isoliert.

In einem zweiten Schritt werden die Ionen über den ETD Mechanismus in Fragmente zerlegt, deren Masse wiederum detektiert wird. Bei einem Protein oder Peptid kann man dann letztendlich anhand der Fragmente auf die Sequenz der Aminosäuren schließen. "Das ist, als ob ich ein Fahrrad in Einzelteile zerlege und aus den Bruchstücken Hinweise auf die detaillierte Bauweise, die Positionen und damit auch auf das Zusammenspiel einzelner Komponenten herauslese", erklärt Krause. Auf unser Peptid übertragen offenbart diese Methode, ob an einer der Aminosäuren eine Phosphatgruppe hängt, da die Masse eines Fragments dann größer ist - und man erkennt sogar, an welcher Position die Phosphatgruppe hing.

Mit der neuen Methodik ist es nun möglich, die Rolle von Lysin-Phosphorylierungen in Zellen zu untersuchen. "Erstmals konnten wir auch testen, wie stabil diese Modifikation überhaupt ist", sagt Jordi Bertran-Vicente. Es zeigte sich, dass Lysin-Phosphorylierungen bei physiologischen Bedingungen innerhalb 18 Stunden zu etwa einem Drittel zerfallen. "Womöglich ist dieser Zerfall sogar biologisch sinnvoll und gewollt", fügt Christian Hackenberger hinzu. Bislang sei man davon ausgegangen, dass Phosphorylierungen von Enzymen aktiv wieder abgespalten werden. Doch in der Natur ist nicht immer alles enzymatisch getrieben, und zunehmend wird deutlich, dass Oberfläche und Bindungsverhalten von Proteinen Teil eines sehr dynamischen Prozesses sind. "Vielleicht", so spekuliert Hackenberger, "ist es in manchen Fällen sinnvoll, dass ein Mechanismus eine Weile läuft und sich dann von selbst abstellt, wie mit einer Snooze-Taste am Wecker. Auf jeden Fall haben wir nun ein Werkzeug entwickelt, um solche Prozesse zu studieren."

» Originalpublikation

Quelle: Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP)