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03.05.2024

25.05.2023

Glas ist nicht gleich Glas - Qualitätskontrolle von Fensterglas nach DIN EN 410

Benjamin Stuhlmann, Shimadzu Europa GmbH

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Fenster, Glasdächer, Wintergärten - Glas ist nicht nur ein bedeutender Baustoff, sondern auch Architekturelement. Es gestaltet Flächen, und moderne Gläser können sogar statische Funktionen übernehmen. Eine intelligent gewählte Verglasung ist ein wichtiger Beitrag für die effektive Wärmedämmung eines Gebäudes. Daher ist es für Bauherren wichtig, Materialien anhand definierter Kenngrößen vergleichen zu können. Für Glas und ähnliche Baustoffe sind sie für den europäischen Markt in erster Linie in der DIN EN 410 definiert.

Proben und Messaufbau

Es wurden sechs Proben aus klarem, unbeschichtetem Kalknatronglas (1) zur Verwendung im Bauwesen untersucht. Dieses klare, durchsichtige oder eingefärbte Glas lässt sich im Innen- und Außeneinsatz verwenden. Alle Proben wurden im Floatglas-Verfahren hergestellt und unterscheiden sich nur in ihrer Schichtdicke. Floatglas ist die heute am meisten eingesetzte Glasart und wird in einem langen, stetigen Fluss produziert.

Untersuchte Glasproben. Von links
Abb.1: Untersuchte Glasproben: von links
oben nach rechts unten: 3, 4, 6, 8, 10 und
12 mm Dicke, unbeschichtetes Kalknatron-
Floatglas.

Die zur Berechnung der Kenngrößen benötigten Spektren wurden mit einem Shimadzu UV-3600 Plus Spektralphotometer mit ISR-1503F Integrationskugel aufgenommen. Diese Integrationskugel hat einen Durchmesser von 150 mm und drei Detektoren (Photomultiplier, InGaAs, PbS), um den kompletten DIN-gerechten Messbereich von 300 - 2.500 nm abzudecken.

Bei der Integrationskugel handelt es sich um eine Hohlkugel, die innen mit einem hochreflektierenden Material beschichtet ist. Im Fall der ISR-1503F ist es Spectralon®, ein Polymer aus Fluor und Kohlenstoff. Diffus in die Kugel gestreutes Licht wird so lange an den Wänden reflektiert, bis es auf einen der drei Detektoren trifft. Für die Auswertung nach DIN EN 410 wird die Glasprobe einmal im Modus für diffuse Transmission und einmal im Modus für diffuse Reflexion (8° Einstrahlwinkel) gemessen. Die verschiedenen Messkonfigurationen sind in Abbildung 2 gezeigt.

Messkonfigurationen mit der Inte
Abb.2: Messkonfigurationen mit der Integrationskugel. Das Diagramm zeigt die Seitenansicht mit der Gerätefront links. Durch die Bestrahlung mit 8° Einfallswinkel wird auch das gerichtet reflektierte Licht auf die Innenwand der Kugel abgebildet und nicht auf die Eingangsapertur.

Definitionen der Kenngrößen

Die in DIN EN 410 definierten Kenngrößen sind in Abbildungen 3 und 4 dargestellt. Hier soll nur auf die Berechnungen für unbeschichtete Einfachverglasung eingegangen werden.

Kenngrößen
Abb.3 (links): Lichttechnische Kenngrößen einer Einzelverglasung: Transmission τ durch die Scheibe, Reflexion ρ an der Außenseite und Reflexion ρ' an der Innenseite.
Abb.4 (rechts): Strahlungsphysikalische Kenngrößen einer Einzelverglasung: Direkter Strahlungsabsorptionsgrad αe , sekundärer Wärmeabgabegrad nach außen qe und nach innen qi und Gesamttransmissionsgrad g als Produkt von τe und qi.

Ausgangspunkt für alle Berechnungen sind die Messungen der Transmission durch die Probe und der Reflexion von jeder Probenseite. Bei beschichtetem Glas kann die Transmission je nach Seite unterschiedlich ausfallen, hier muss also definiert werden, welche Seite im verbauten Fenster jeweils die Innen-, und die Außenseite darstellt.

Die Kenngrößen sind:

  • Spektraler Transmissionsgrad τ(λ) und spektraler Reflexionsgrad ρ(λ) im Wellenlängenbereich von 300 nm bis 2.500 nm.
  • Lichttransmissionsgrad τv und Lichtreflexionsgrad ρv für die Normlichtart D65. [4]
  • Direkter Strahlungstransmissionsgrad τe und direkter Strahlungsreflexionsgrad ρe normiert auf die relative spektrale Verteilung der Sonnenstrahlung.[5]
  • Gesamtenergiedurchlassgrad g.
  • UV-Transmissionsgrad τUV normiert auf die relative Spektralverteilung des UV-Bereichs der Globalstrahlung. [6]
  • Allgemeiner Farbwiedergabeindex Ra.
  • Gesamt-Durchlassfaktor SC.

Die gemessenen Transmissions- und Reflexionswerte (τ[λ], ρ[λ]) werden für Einzelverglasungen zur Berechnung der rein lichttechnischen Kenngrößen τv, ρv, τe, ρe, und τUV gemäß Gleichung 1 mit tabellierten Normierungsfaktoren verrechnet.

Gleichung 1

(1)

Gleichung 1: Verallgemeinerte Form der Gleichungen zur Beschreibung einer Einzelverglasung mit λ als Wellenlänge in Nanometern, xi als Kenngröße, N(λ) als Normierungsfaktor und M(λ) als Messwert (Transmission oder Reflexion). Die Grenzen der Summe und der Normierungsfaktor sind von der jeweiligen Kenngröße abhängig und in DIN EN 410 tabelliert.

Aus dem Transmissionsspektrum im sichtbaren Bereich und den in DIN EN 410 tabellierten Werten für definierte Testfarben wird außerdem der allgemeine Farbwiedergabeindex Ra berechnet. Dieser beschreibt, wie stark die Farbwahrnehmung durch die Scheibe beeinflusst wird.
Bei Mehrfachverglasung muss die innere Reflexion zwischen den Scheiben für alle Berechnungen mit einbezogen werden. In diesem Fall werden die Spektren der verwendeten Scheiben zunächst einzeln gemessen, um τ(λ) und ρ(λ) für das Gesamtsystem zu berechnen. Aus τe und ρe werden die weiteren Kenngrößen ermittelt, die in Abbildung 4 dargestellt sind und die thermischen Eigenschaften der Verglasung beschreiben. Der direkte Strahlungsabsorptionsgrad αe ist der Teil der Sonnenstrahlung, der gemäß Gleichung 2 vom Glas absorbiert wird.

αe = 1 - τe - ρe

(2)

Gleichung 2: Direkter Strahlungsabsorptionsgrad αe mit direktem Strahlungstransmissionsgrad τe und direktem Strahlungsreflexionsgrad ρe.

Die absorbierte Energie wird vom Glas in Wärme umgewandelt und entsprechend in Form des sekundären Wärmeabgabekoeffizienten nach außen (qe) und innen (qi) abgegeben. Die Berechnung des Gesamttransmissionsgrads g kann für Einzelverglasung mit unbeschichtetem Kalknatronglas zu Gleichung 3 zusammengefasst werden.

g = τe · qi = τe · 0,24 · αe

(3)

Gleichung 3: Vereinfachte Formel zur Berechnung des Gesamttransmissionsgrades g. Für Mehrfachverglasungen muss qi über die Wärmeleitfähigkeit des Gaszwischenraums berechnet werden.

Für diesen Sonderfall kann auch die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten Ug der Scheibe als Funktion der Glasdicke gemäß Gleichung 4 zusammengefasst werden.

Ug = x · 1,17m-1

(4)

Gleichung 4: Vereinfachte Formel zur Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten Ug aus der Glasdicke in Metern. Bei Mehrfachverglasungen müssen zusätzlich Dicke und Wärmeleitfähigkeit der Gaszwischenschichten mit einbezogen werden.

Aus g wird schließlich nach Gleichung 5 der Durchlassfaktor SC (für Englisch "shading coefficient") berechnet. Für Mehrfachverglasung muss die Wärmeleitfähigkeit des Gaszwischenraums einbezogen werden. Die entsprechenden Berechnungen sind in DIN EN 673 gegeben. Je nach Material oder Beschichtung kann auch die Bestimmung des korrigierten Emissionsgrades jeder einzelnen Scheibe aus FTIR-Spektren nach DIN EN 12898 notwendig sein.

Gleichung 5

(5)

Gleichung 5: Durchlassfaktor SC gemäß DIN EN 410

Mess-Ergebnisse

Die Transmissions- und Reflexionsspektren der in Abbildung 1 gezeigten Proben im Bereich von 300 bis 2.500 nm sind in Abbildung 5 gezeigt. Die aus diesen Spektren berechneten Kenngrößen sind in Tabelle 1 angegeben. Zur Berechnung wurde handelsübliche Tabellenkalkulationssoftware benutzt.

Transmissionsspektren und Reflexionsspektren
Abb.5: Transmissionsspektren (oben) und Reflexionsspektren (unten) der sechs
in Abb. 1 gezeigten Glasproben im Spektralbereich von 300 - 2.500 nm

Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, wirkt sich die Glasdicke nur wenig auf den Wärmedurchgangskoeffizienten Ug aus. Daher werden Wärmeschutzverglasungen durch Mehrfachverglasung dünner Scheiben (3 - 4 mm) mit isolierenden Gaszwischenschichten realisiert. Zusätzliche Wärmedämmung kann erreicht werden, wenn die äußerste Scheibe mit einer Beschichtung versehen wird, die Strahlung im Infrarotbereich nach Außen reflektiert.

Messwertetabelle
Tab.1: Kenngrößen der ausgewerteten Proben, berechnet aus den in Abbildung 5 gezeigten Transmissions- und Reflexionsspektren
und den in DIN EN 410 angegebenen Formeln und Konstanten.

Sämtliche Transmissions- und Reflexionsgrade der hier untersuchten Proben nehmen mit größerer Dicke ab, am stärksten im UV-Bereich. Entsprechend nehmen Strahlungsabsorptionsgrad und sekundärer Wärmeabgabegrad allerdings zu. Da ein Teil der Wärme nach außen abgegeben wird, nimmt der Gesamtenergiedurchlassgrad dennoch insgesamt leicht ab. Bei diesen fast farblosen Gläsern wird der Farbwiedergabeindex kaum durch die Glasdicke beeinflusst.

Fazit

Die in DIN EN 410 und den dort zitierten Normen definierten Kenngrößen sind wichtige Qualitätsmerkmale von Verglasungen für verschiedene Zwecke. Dabei spielt die Materialdicke nur eine untergeordnete Rolle für die berechneten Eigenschaften. Zur Ermittlung der Kenngrößen für das Ausgangsmaterial einer Verglasung ist ein UV-Vis-NIR Spektrophotometer mit Integrationskugel erforderlich, beispielsweise das Shimadzu UV-3600 Plus mit ISR-1503. Für die Beschreibung von Mehrfachverglasungen müssen die Eigenschaften der Zwischenschichten ebenfalls bekannt sein.

Literatur

  1. DIN EN 410:2011, Glas im Bauwesen - Bestimmung der lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Kenngrößen von Verglasungen (EN 410:2011)
  2. DIN EN 673:2011, Glas im Bauwesen - Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) - Berechnungsverfahren (EN 673:2011)
  3. DIN EN 12898:2001-04, Glas im Bauwesen - Bestimmung des Emissionsgrades (EN 12898:2001)
  4. CIE No. 15, Colorimetry, 3. Edition (2004)
  5. CIE No. 85, Solar spectral irradiance, technical report (1989)
  6. P. Bener, Approximate values of intensity of natural UV radiation for different amounts of atmospheric ozone, Final Technical Report 1972, Contract No. DAJA 37-68 C-1077


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