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29.04.2024

21.10.2021

TGA-IST-GC/MS-FTIR-Analyse am Beispiel von Polypropylen

Nicolas Fedelich, Mettler-Toledo GmbH

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Die Kopplung eines TGA mit einem Massenspektrometer (MS), einem Fourier transformierenden Infrarot-Spektrometer (FTIR) oder einem GC/MS sind heute Standardmethoden zur Identifikation freiwerdender Gase während einer TGA-Messung. Ein Nachteil einer TGA-FTIR-Kopplung ist, dass sich die IR-Spektren von gleichzeitig emittierten Zersetzungsgasen überlagern, welches die Interpretation der gemessenen IR-Spektren beträchtlich erschwert.

Gleiches gilt für die Auswertung der Daten für eine TGA-MS-Kopplung. Andererseits lassen sich mittels FTIR funktionale Gruppen in Zersetzungsprodukten leicht identifizieren, welches Schlussfolgerungen bezüglich der auftretenden Zersetzungsprodukte erlaubt. Es kann deshalb hilfreich sein, sowohl GC/MS-Daten als auch FTIR-Spektren zur Verfügung zu haben, um Zersetzungsreaktionen nachzuvollziehen. In diesem Beitrag zeigen wir dies am Beispiel von zwei unterschiedlichen Polypropylen-Proben.

Experimentelles

Die Messungen wurden mit einem TGA/DSC 3+ mit SDTA-Sensor, gekoppelt mit einem GC/MS von Agilent (7890 GC mit 5975C MSD) und einem FTIR-Spektrometer Alpha von Bruker durchgeführt. Der Aufbau des Experiments ist schematisch in Abbildung 1 dargestellt.

Aufbau des TGA-IST16-GC/MS-FTIR Experiments
Abb.1: Aufbau des TGA-IST16-GC/MS-FTIR Experiments

Die Kopplung des TGA an das GC/MS erfolgte mittels IST16-Speicherinterface von SRA (Einzelheiten siehe [1]). Mit diesem Speicherinterface ist es möglich, Gasproben bei maximal 16 Temperaturen zu speichern. Diese Proben werden nach der TGA-Messung einzeln mit dem GC/MS analysiert. Die Transferlinie vom TGA zum IST16 sowie die Speicherschlaufen wurden bei 250 °C thermostatisiert. Die Temperatur des Injektors im GC betrug 280 °C. Das GC-Temperaturprogramm bestand aus einer Isothermen bei 50 °C (5 min), einer Heizrampe von 50 auf 300 °C (10 K/min) und einer weiteren Isotherme bei 300 °C (5 min). Als Säule wurde eine HP-5ms (60 m x 0.25 mm x 0.25 µm) und als Trägergas Helium verwendet (0.8 mL/min). Mit dem MS wurden Massen zwischen m/z 33 und m/z 350 gemessen. Die mit der GC/MS gemessenen Substanzen wurde mithilfe der Datenbank von NIST/EPA/NIH identifiziert [2].

Das FTIR-Spektrometer von Bruker war mit einer Gaszelle ausgerüstet und wurde über den Ausgang des IST16-Interfaces mit einer zusätzlichen Transferlinie verbunden. Dies ermöglichte ein kontinuierliches Aufzeichnen von FTIR-Spektren der Zersetzungsgase während des TGA-Experiments (online). Transferlinie und Gaszelle wurden auf 250 °C aufgeheizt. Die IR-Spektren wurden mit einer Auflösung von 4 cm-1 zwischen 400 und 4000 cm-1 aufgenommen, wobei jeweils über 16 Spektren gemittelt wurde.

Es wurden zwei Polypropylen-Proben, mit Flammschutzmittel (PP-FR) und ohne Flammschutzmittel (PP-ref), analysiert. Als Flammschutzmittel wurde Exolit® AP 760 (20 w%) verwendet.

PP-FR enthält zudem 10 w% Calciumcarbonat (Ca CO3). Exolit® AP 760 ist ein auf Ammonium-Polyphosphat basierendes, intumeszierendes Flammschutzmittel. Derartige Stoffe schäumen ab einer bestimmten Temperatur auf und verkohlen. Dadurch bilden sich Schutzschichten, welche die weitergehende Zersetzung des zu schützenden Materials verzögern. Die Messungen erfolgten in 30 mL/min Stickstoff mit Probenmassen von etwa 20 mg im Temperaturbereich zwischen 30 und 600 °C; die Heizrate betrug 10 K/min. Es wurden 70-µL-Tiegel aus Aluminiumoxid verwendet.

Ergebnisse
TGA-Messungen

TGA-DSC-Messungen an beiden Polypropylen-Proben
Abb.2: TGA-DSC-Messungen an beiden Polypropylen-Proben
(rote Kurve PP-FR, schwarze Kurve PP-ref).
Um relevante Temperaturen für die GC/MS-Analyse festzulegen, wurden beide Proben zunächst ohne gekoppelte Gasanalyse gemessen. Entsprechende Ergebnisse sind in Abbildung 2 dargestellt. Sie zeigt oben die TGA-Kurven für beide Materialien und unten die simultan gemessenen DSC-Kurven.

Man erkennt ein leicht unterschiedliches Zersetzungsverhalten der beiden Polypropylen-Proben. So beginnt die Zersetzung von PP-FR bei tieferen Temperaturen als die vom nicht flammgeschützten Material. Dies ist auf die Zersetzung des Flammschutzmittels zurückzuführen.

Die unterschiedlichen Restgehalte (PP-FR: 10%, PP-ref: 0%) sind auf die 10% Calciumcarbonat in der PP-FR Probe zurückzuführen; die Kalzinierung von Ca CO3 findet erst ab etwa 600 °C statt und ist hier nicht von Interesse.

Auf den simultan gemessenen DSC-Kurven erkennt man das Schmelzen von Polypropylen um 160 °C. Die unterschiedlichen spezifischen Schmelzenthalpien sind eine Folge der verschiedenen Zusammensetzungen der beiden Materialien (PP-ref: 100% Polymer, PP-FR: 70% Polymer, 20% Flammschutzmittel, 10% Ca CO3).

Aufgrund der beiden TGA-Kurven wurden nun die Temperaturen festgelegt, bei denen in einem zweiten Experiment Gasproben im IST16 gespeichert wurden (in Abbildung 2 auf der schwarzen Kurve mit blauen Kreuzen markiert).

GC/MS-Messungen

In einem zweiten Experiment wurden für beide Materialien bei den ausgewählten Temperaturen Gasproben gespeichert, die anschließend mit dem GC/MS analysiert wurden. Entsprechende Ergebnisse sind in den Abbildungen 3 bis 6 dargestellt. Sie zeigen die Chromatogramme bei 450 °C (Abbildung 3) und 380 °C (Abbildung 4).

Totales Ionenchromatogramm (TIC)
Abb.3 (links): Totales Ionenchromatogramm (TIC) für PP-FR bei 450 °C: mit Angaben zu ausgewählten, identifizierten Zersetzungsprodukten.
Abb.4 (rechts): Totale Ionenchromatogramme (TICs) für PP-ref (schwarze Kurve) und PP-FR (rote Kurve) bei 380 °C;
mit Angaben zu ausgewählten, identifizierten Zersetzungsprodukten (nur für PP-FR).

Jeder Peak in den Chromatogrammen entspricht einem anderen Zersetzungsprodukt; die wichtigsten Zersetzungsprodukte sind in den beiden Chromatogrammen aufgeführt. Bei 450 °C sind die Zersetzungsprodukte von PP-ref und FR-PP nahezu identisch; vor allem Alkene wie zum Beispiel 2,4-Dimethyl-1-Hepten, wie in Abbildung 5 dargestellt: oben: gemessenes Massenspektrum. Unten links: Massenspektrum aus der Datenbank, beste Übereinstimmung mit dem gemessenen Massenspektrum. Unten rechts: Ergebnis der Datenbanksuche. Das Zersetzungsprodukt entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit 2,4-Dimethyl-1-Hepten.

Bei 380 °C erkennt man im TIC für FR-PP neben zahlreichen kleineren Peaks einen markanten Peak nach 18.747 min. Die MS-Analyse ergab, dass es sich dabei um 1,3-Benzendicarbonitril handelt, dargestellt in Abbildung 6: oben: gemessenes Massenspektrum. Unten links: Massenspektrum aus der Datenbank, beste Übereinstimmung mit dem gemessenen Massenspektrum. Unten rechts: Ergebnis der Datenbanksuche. Diese Substanz wurde nur im Temperaturbereich zwischen 300 und 380 °C und nur für PP-FR nachgewiesen. Folglich handelt sich um ein für das verwendete Flammschutzmittel typisches Zersetzungsprodukt. Das Zersetzungsprodukt entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit 1,3-Benzendicarbonitril.

Zersetzungsprodukt
Abb.5 (links): Zersetzungsprodukt, das nach einer Retentionszeit von 10.73 min mittels MS und einer
Datenbanksuche für PP-FR identifiziert wurde.
Abb.6 (rechts): Zersetzungsprodukt, das nach einer Retentionszeit von 18.747 min mittels MS und einer
Datenbanksuche identifiziert wurde.

FTIR-Messungen

TGA- und GS-Kurven für PP-ref und PP-FR
Abb.7: TGA- und GS-Kurven für PP-ref und PP-FR.
Für eine genauere Analyse der bei
460 und 380 °C gemessenen FTIR-Spektren
siehe auch Abbildungen 9 und 10.
Abbildung 7 zeigt die TGA-Kurven für beide Proben zusammen mit den entsprechenden Gram-Schmidt-Kurven (GS). Eine GS-Kurve stellt in Abhängigkeit von der Temperatur die Flächen unter den FTIR-Spektren dar und entspricht qualitativ etwa einer DTG-Kurve. Anhand der GS-Kurve werden Temperaturen festgelegt, bei denen die FTIR-Spektren der Zersetzungsgase genauer analysiert werden sollen, normalerweise sind dies die Peaktemperaturen auf der GS-Kurve.

Die gestrichelten Vertikalen in Abbildung 7 markieren jene Temperaturen, bei denen wir die FTIR-Spektren genauer analysiert haben (siehe auch Abbildungen 9 und 10). Einen Überblick über die gemessenen FTIR-Spektren für beide Materialien verschafft Abbildung 8. Man erkennt, dass sich die beiden "Landschaften" vor allem durch den rot eingekringelten "Hügel" unterscheiden, der nach etwa 35 min, dies entspricht etwa 380 °C, um etwa 2500 cm-1 auftritt.

Überblick FTIR-Spektren
Abb.8: Überblick über die während der TGA-Messung gemessenen FTIR-Spektren. Die Zeitachse entspricht der Temperatur.

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus der GC/MS-Analyse wurde auch mittels FTIR 2,4-Dimethyl-1-Hepten, ein typisches Zersetzungsprodukt von Polypropylen, gefunden. Im Einzelnen deuten die Banden um 2950 cm-1 sowie um 1400 cm-1 auf Methylgruppen und die Banden um 890 cm-1 auf C-H-Deformationsschwingungen in Alkengruppen hin. Mittels FTIR kann deshalb beispielsweise 5-Methyl-1-Hepten, das als weiteres typisches Zersetzungsprodukt von Polypropylen mittels GC/MS-Messungen identifiziert wurde (siehe Abbildung 3), ohne weiteres nicht von 2,4-Dimethyl-1-Hepten unterschieden werden. Die Daten bei 460 °C für PP-FR und PP-ref unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander und belegen, dass in diesem Temperaturbereich hauptsächlich die Zersetzung von Polypropylen stattfindet.

Ganz anders sieht das bei 380 °C aus: Bei dieser Temperatur unterscheiden sich die für PP-FR und PP-ref gemessenen FTIR-Spektren beträchtlich (siehe Abbildung 10). So erkennt man, dass bei 380 °C im Fall von PP-FR neben 2,4-Dimethyl-1-Hepten auch Ammoniak und CO2 auftreten. Ammoniak ist ein typisches Zersetzungsprodukt des verwendeten Flammschutzmittels. Die FTIR-Messungen bestätigen somit ebenfalls, was mittels GC/MS gefunden wurde: Die bei niedrigeren Temperaturen beginnende Zersetzung von PP-FR ist auf die Zersetzung des Flammschutzmittels zurückzuführen.

GC/MS und FTIR

Aus den Peakflächen der TIC-Peaks der verschiedenen Zersetzungsprodukte in den 15 Speicherschlaufen lassen sich Emissionsprofile für jede nachgewiesene Substanz erstellen. Aus den FTIR-Spektren können temperaturabhängig IR-Intensitäten in ausgewählten Wellenzahlbereichen berechnet werden. Daraus ergeben sich sogenannte Chemigramme.

Gemessene FTIR-Spektren
Abb.9 (links): Gemessene FTIR-Spektren für PP-ref (oben) und PP-FR bei 460 °C (Mitte)
und Referenzspektrum aus der NIST/EPA Datenbank für 2,4-Dimethyl-1-Hepten (beste Übereinstimmung, unten).
Abb.10 (rechts): Gemessene FTIR-Spektren für PP-ref und PP-FR bei 380 °C (oben)
sowie Referenzspektren aus der NIST/EPA Datenbank für 2,4-Dimethyl-1-Hepten, Ammoniak und CO2.

Die Emissionsprofile für die zwei Substanzen, 1,3-Benzendicarbonitril und 2,4-Dimethyl-1-Hepten, und Chemigramme für die drei verschiedenen Wellenlängenbereiche 979 bis 910 cm-1 (Ammoniak), 2440 bis 2120 cm-1 (CO2) sowie 3260 bis 2640 cm-1 (C-H-Streckschwingungen) sind in Abbildung 11 zusammen mit den jeweiligen TGA-Kurven dargestellt (punktierte Kurven: PP-ref, ausgezogene Kurven: PP-FR).

TGA-Kurven zusammen mit Emissionsprofilen
Abb. 11: TGA-Kurven zusammen mit Emissionsprofilen (GC/MS)
und Chemigrammen (FTIR) für einige relevante
Zersetzungsprodukte von PP-FR (ausgezogene Kurven)
und PP-ref (punktierte Kurven).
Man erkennt, dass die für die Zersetzung von Polypropylen charakteristischen Zersetzungsprodukte wie 2,4-Dimethyl- 1-Hepten, (Alken: charakterisiert durch die C-H-Streckschwingungen) für das flammgeschützte Material bei einer höheren Temperatur erfolgt als für das nicht flammgeschützte Material.

Außerdem beobachtet man für PP-FR zwischen etwa 280 und 400 °C die Zersetzungsprodukte Ammoniak, 1,3-Benzendicarbonitril und CO2, die nicht im Zusammenhang mit der Zersetzung von Polypropylen stehen, sondern eine Folge der Zersetzung des Flammschutzmittels sind.

Zusammenfassung

Es wurden ein Polypropylen mit Flammschutzmittel (PP-FR) und eines ohne (PP-ref) mittels TGA/DSC-IST16/GC/MS-FTIR untersucht. Mithilfe von GC/MS-Messungen konnten über 150 Zersetzungsprodukte identifiziert werden.

Es konnte nachgewiesen werden, dass das Flammschutzmittel das Zersetzungsverhalten des Polymers verändert. Bei PP-FR beginnt die Zersetzung bei einer tieferen Temperatur als bei PP-ref. Diese ist allerdings nicht auf die Zersetzung des Polymers zurückzuführen, sondern auf die des Flammschutzmittels. Dies erkennt man daran, dass in diesem Temperaturbereich, ab etwa 280 bis etwa 400 °C, hauptsächlich Zersetzungsprodukte auftreten, welche nicht mit der Zersetzung von Polypropylen in Verbindung gebracht werden können; zum Beispiel Ammoniak und 1,3-Benzendicarbonitril. Sie sind Zersetzungsprodukte des Flammschutzmittels. Dessen Intumineszenz verzögert die eigentliche Zersetzung des Polymers. Dies erkennt man anhand der Kurven der typischen Zersetzungsprodukte von Polypropylen, die entweder aus GC/MS-Messungen für 2,4-Dimethyl-1-Hepten oder durch FTIR-Spektren wie das Chemigramm zwischen 3260 und 2640 cm-1 (C-H-Streckschwingungen für Alkene) ermittelt wurden.

Der Vorteil der simultanen Kopplung eines TGA/DSC mit einem FTIR und einem IST/GC/MS-System liegt darin, dass mit dem FTIR Substanzen nachgewiesen werden können, welche mit dem GC/MS nicht oder nur mit erheblichem Aufwand wie zum Beispiel CO2, Ammoniak und Wasser gemessen werden können.

Referenzen

  1. N. Fedelich, Thermogravimetry and gas analysis, Part 4: TGA-GC/MS, UserCom 48, 1-7.
  2. NIST Standard Reference Database 1A, NIST/EPA/NIH Mass Spectral Database (NIST 11) and NIST Mass Spectral Search Program (Version 2.0g).
  3. Evolved Gas Analysis, METTLER TOLEDO Collected Applications Handbook, 2019, 144-150.


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