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04.05.2024

18.06.2014

Genetisch kodierte, spinmarkierte künstliche Aminosäuren für Abstandsmessungen mittels ESR-Spektroskopie

Moritz Schmidt , Dr. Daniel Summerer , Dr. Malte Drescher , Universität Konstanz

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Elektronenspinresonanz- (ESR-) Spektroskopie kombiniert mit ortsspezifischer Spinmarkierung ist bestens geeignet, um Struktur, Dynamik und Wechselwirkungen von Proteinen zu untersuchen. Besonders interessant sind Abstandsmessungen zwischen zwei identischen, verhältnismäßig kleinen Spinmarkern, beispielsweise Nitroxiden. Diese Abstandsmessungen beruhen auf der Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen den beiden Spinmarkern, die mit 1/r3 abfällt. Präzise Messungen von Abstandsverteilungen sind über einen großen Bereich, etwa 1 bis 10 Nanometer möglich. Für die Messung der Dipol-Dipol-Wechselwirkung verwendet man meist gepulste ESR-Methoden. Für die traditionelle ortsspezifische Spinmarkierung eines Proteins wird über Mutagenese gezielt ein Cystein in die Aminosäurensequenz eingebaut. Mit spezifischen Spinmarkern, wie z.B. MTSL (1-oxyl-2,2,5,5-tetra-methyl-pyrroline-3-methyl-methanethiosulfonate), wird über eine Disulfidbindung eine Modifikation des Cysteins in vitro herbeigeführt. Dieser Ansatz benötigt also chemische Markierungsschritte, zugängliche Aminosäuren auf der Proteinoberfläche und die Entfernung der nativen Cysteine.

Genetisch kodierte, spinmarkierte künstliche Aminosäuren

Wir stellen einen Ansatz vor, der auf chemische Spinmarkierung von Proteinen verzichtet und auf der Biosynthese von spinmarkierten Proteinen in vivo beruht. Zur Expression von spinmarkierten Proteinen wird eine spinmarkierte künstliche Aminosäure SLK eingesetzt, die eine 2,2,5,5-tetramethyl-pyrrolin-1-oxyl-Einheit enthält. Das Akronym weist darauf hin, dass es sich um eine spinmarkierte (spin labeled) Aminosäure auf Lysinbasis (K steht im one-letter-code für Lysin). Diese Aminosäure unterscheidet sich von den 20 sogenannten kanonischen Aminosäuren dadurch, dass sie natürlicherweise nicht durch Basentripletts, also dreistellige Basen-Codons in der DNA und RNA codiert wird. Über eine Erweiterung des genetischen Codes kann aber auch SLK in Ribosomen in E. coli in Proteine eingebaut werden. Dabei wird anstelle des Amber-Stop-Codons TAG in der mRNA der Einbau einer unnatürlichen Aminosäure durch eine spezielle Transfer-RNA (tRNA) im Ribosom gewährleistet. Die tRNA wird von ihrer zugehörigen Aminoacyl-tRNA-Synthetase mit der nicht-kanonischen Aminosäure beladen und fungiert dann als Adaptermolekül, das den Einbau der Aminosäure an der richtigen Stelle vermittelt und in diesem speziellen Fall gezielt ein Stop-Codon erkennt.


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