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20.05.2024

16.02.2023

Künstlich, kurzlebig, superschwer

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Zerfall
Bild: pixabay [CCO]
Das Weltall... unendliche Weiten... und irgendwann vor langer Zeit der Urknall, durch den alles entstand, was wir kennen und immer neu kennenlernen. Zunächst die Elementarteilchen, die sich zu Wasserstoffatomen, den einfachsten derzeit bekannten Atomen, zusammenfanden.

Ein Wasserstoffatom besteht aus einem positiv geladenem Kernteilchen, dem Proton, das von einem negativ geladenen Elektron "umkreist" wird. Durch das Zusammenstoßen mehrerer Atome mit großer Geschwindigkeit bei hohen Temperaturen und ein Verschmelzen der Teilchen entstanden im Laufe der Zeit Atome mit mehr Kernteilchen - neue Elemente.

Da Naturwissenschaftler gerne alles systematisch geordnet haben, erdachten sich die Chemiker Dmitri Mendelejew und Lothar Meyer Mitte des 19. Jahrhunderts unabhängig voneinander das bis heute gültige Periodensystem der Elemente. In dieser Tafel sind alle uns bekannten Elemente aufsteigend nach der Anzahl ihrer Protonen und Elektronen geordnet.

Das erste künstlich hergestellte Element

Zunächst wies die Tafel noch viele Lücken auf, die im Laufe der folgenden 100 Jahre nach und nach gefüllt werden konnten. Am hartnäckigsten hielt sich die Lücke an Platz 43 des Systems. 1937 konnten der Physiker Emilio Segrè und der Chemiker Carlo Perrier schließlich ein Element künstlich erzeugen, indem sie Molybdän mit schwerem Wasserstoff beschossen. Das so geschaffene neue Element zeigte die bereits viele Jahre zuvor von Mendelejew postulierten Eigenschaften, die ein Element, das an besagter Lücke stehen könnte, haben müsse. Damit konnte sie endlich geschlossen werden und wir finden das Element als Technetium an 43. Stelle im Periodensystem; benannt nach dem griechischen Wort für "künstlich".

Heutzutage kann mittels hochmoderner Analysen nachgewiesen werden, dass Spuren von Technetium als natürliches Element auf der Erde vorhanden sind, beispielsweise in Uranerzen. Insgesamt zählt das Periodensystem nun mehr als 90 natürliche Elemente, die, wie Technetium, teils nur in geringsten Mengen als Zwischenprodukte bei radioaktiven Zerfallsprozessen auf der Erde nachgewiesen wurden.

Den Ursprüngen des Universums auf der Spur...

So wie Segrè und Perrier suchen Forschende bis heute nach weiteren Elementen mit immer mehr Protonen im Kern und versuchen so unter anderem die Ursprünge unseres Universums zu ergründen. Allerdings sind die Versuchsapparaturen seit den 1930er Jahren deutlich besser geworden. Mit Geschwindigkeiten von 30.000 km/s bis nahe Lichtgeschwindigkeit werden in vielen Meter langen Beschleunigern die winzigen Teilchen im Vakuum aufeinander geschossen und abgewartet, was passiert. Im besten Fall wird durch die hohe Geschwindigkeit die große Abstoßung der positiven Atomkerne überwunden, so dass sie zu einem neuen Element verschmelzen.

Allerdings haben die Atome - und damit auch die Wissenschaftler - ein Problem: Die im Kern befindlichen positiv geladenen Protonen stoßen sich gegenseitig ab. Daher sind die neuen Elemente nicht stabil, sondern zerfallen unter Aussendung radioaktiver Strahlung in ihre Bestandteile. Anhand dieses Zerfalls können die Wissenschaftler dann beweisen, ob tatsächlich ein neues Element entstanden ist.

Bis zu einer gewissen Anzahl an Protonen kann diese Abstoßung durch ebenfalls im Atomkern vorkommende neutrale Teilchen, die Neutronen, abgemildert werden. Aber mit zunehmender Kerngröße werden Atome immer instabiler. Bereits ab dem Element Bismut mit der Ordnungszahl 83 - also ab 83 Protonen im Kern - zerfallen die Atome unter Aussendung radioaktiver Strahlung. Elemente, die sich jenseits des Urans mit der Ordnungszahl 92 im Periodensystem befinden, sucht man daher nahezu vergebens in der Natur. Einige der sogenannten Transurane bildeten sich wahrscheinlich zu Beginn der Entstehung unseres Sonnensystems, sind aber längst zerfallen und kaum noch oder gar nicht mehr nachzuweisen - außer sie fielen bei der Gewinnung von Kernenergie oder dem Bau von Kernwaffen erneut an.

...zur Vollendung des Periodensystems?

Mittlerweile findet man 118 Elemente im Periodensystem, von denen mehr als 20 nur in Teilchenbeschleunigern nachgewiesen werden konnten. Das jüngste ist das superschwere Element Oganesson - benannt nach seinem Mitentdecker Juri Oganesjan - das im Jahr 2006 erstmals nachgewiesen und 2016 im Helmholtz Zentrum für Schwerionenforschung (GSI) bestätigt wurde. "Superschwer" ist hier natürlich ziemlich relativ. Aber mit einer Atommasse von 294 Dalton - das entspricht 4,9 x 10-22 Gramm - ist es das schwerste bekannte Element. Durch den Beschuss des ebenfalls künstlich hergestellten Elements Californium mit Calcium-Ionen konnten einige wenige Oganesson-Atome mit einer Halbwertszeit vom 0,89 Millisekunden hergestellt werden. Von kommerziellem Interesse ist diese Art der Forschung daher wohl eher nicht.

Allerdings sagen theoretische Berechnungen eine "Insel der Stabilität" voraus. Laut dieser Theorie gibt es bislang unbekannte Elemente, die eine sehr lange Lebensdauer haben, also stabil sind. Diese Insel der Stabilität ist sozusagen der heilige Gral der Physik und damit das Ziel vieler Forschungsexperimente. Allerdings ist mit dem Element Oganesson die siebte und damit bislang letzte bekannte Zeile des Periodensystems vollständig gefüllt. Ob es noch eine weitere Periode im System geben kann, ist (noch) völlig ungewiss.

Derartige Grundlagenforschung erscheint Unbeteiligten häufig fragwürdig. Gleicht sie doch einer (teuren) Expedition ins Ungewisse, ohne bekannten Ausgang. Sie bildet aber - Nomen est Omen - häufig die Grundlage für teils bahnbrechende Innovationen. Oder mit den Albert Einstein zugeschriebenen Worten ausgedrückt:

Wenn wir wüssten, was wir tun, würde man es nicht Forschung nennen, oder?
Albert Einstein (1879-1955)

» Künstliche Elemente

» Insel der Stabilität

» Will We Ever Finish the Periodic Table?

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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