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20.05.2024

15.06.2022

Glühwürmchen - die romantischste Chemiefabrik der Welt

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Glühwürmchen
Bild: pixabay [CCO]
Insekten sind ja nun wirklich nicht jedermanns Sache. Aber einige Käferarten mögen doch fast alle Menschen. Neben den Marienkäfern gehören die Glühwürmchen zu den gern gesehenen 6-Beinern.

Jetzt, Mitte bis Ende Juni, haben die sie wieder Hauptsaison. Leider werden auch sie immer seltener, weil ihnen aufgeräumte Gärten, Trockenheit und Lichtverschmutzung das (Über-)Leben schwer macht. Umso mehr freuen wir uns, wenn wir die kleinen Lichtpunkte in lauen Sommernächten umherfliegen sehen.

Genaugenommen sind Glühwürmchen keine Würmer, sondern - wie eingangs erwähnt - Käfer. Allerdings sehen die flugunfähigen Weibchen eher nach Würmern oder Engerlingen aus, als die fliegenden Männchen. Glühen tun die Käfer im Übrigen auch nicht - sie leuchten. Daher ist die Bezeichnung Leuchtkäfer zutreffender, das klingt aber nicht so schön.

Leuchtkäfer gibt es außer in der Antarktis nahezu überall auf der Welt. In Japan ist das Glühwürmchen eine Art Nationalheiligtum, in der Schweiz nennt sie ein alter Volksglaube die "Seelen der Verstorbenen" und in Deutschland sind sie der Inbegriff einer romantischen Sommernacht.

Wir als Naturwissenschaftler wissen aber auch, dass die Natur nichts "einfach nur so" oder aus romantischen Gefühlen hervorbringt, sondern alles einen Zweck erfüllt. Im Fall der Glühwürmchen dient das Leuchten in erster Linie der Fortpflanzung. Die flugunfähigen Weibchen senden von ihrem Sitzplatz auf dem Boden oder auf Grashalmen Leuchtsignale aus, um die Männchen anzulocken. Sehen wir fliegende Glühwürmchen, so handelt es sich um die männlichen Vertreter des Kleinen Leuchtkäfers, eine der drei in Deutschland vorkommenden Arten.

Aber wie leuchten diese kleinen Tiere eigentlich?

Das Glühwürmchen hat am Hinterleib Leuchtzellen, in denen eine komplizierte chemische Reaktion stattfindet. Die chemische Verbindung Luciferin, eine Carbonsäure, reagiert mit Hilfe des Enzyms Luciferase, des aus dem Biologie-Unterricht bekannten universellen Energieträgers Adenintriphosphat (ATP) und Sauerstoff zu der Verbindung Oxiluciferin. Oxiluciferin emittiert Lichtteilchen, sogenannte Photonen, die das Leuchten auslösen.

Bemerkenswert ist, dass die Lichtausbeute dieser Reaktion um ein Vielfaches höher ist als bei einer Glühbirne oder selbst einer LED-Lampe. Während eine Glühbirne gerade einmal 5 Prozent der benötigten Energie in Licht umwandelt und den Rest als Wärmeenergie "verschwendet", schafft eine LED immerhin 55 Prozent Lichtausbeute. Ein Glühwürmchen hingegen schafft eine Ausbeute von mehr als 90 Prozent und das entstandene Oxiluciferin wird nicht etwa ausgeschieden, sondern zu frischem Luciferin recycelt - ein perfekter Kreislauf.

Die Natur schafft immer von dem, was möglich ist, das Beste.
Aristoteles (384-322 v.Chr.)
wusste bereits Aristoteles, einer der bekanntesten und einflussreichsten Philosophen und Naturforscher der Geschichte. Vielleicht war ja auch er vom Glühwürmchen so begeistert wie ich.

Die Biolumineszenz, wie diese Art der Lichtherstellung genannt wird, hat nicht nur für das Glühwürmchen eine große Bedeutung. Wissenschaftler haben sie sich zunutze gemacht, um biologische Prozesse zu überwachen, in dem sie die Lichtabgabe während einer Reaktion kontrollieren.

In der medizinischen Grundlagenforschung können Wissenschaftler so beispielsweise Krebszellen markieren und die Bildung und Verbreitung von Metastasen im Körper anhand der Lichtemission verfolgen. Ein weiteres Anwendungsbeispiel der Glühwürmchen-Reaktion sind Hygienekontrollen in der Lebensmittelproduktion. Unerwünschte Bakterien erzeugen Biolumineszenz, also ein Leuchten, und können so entdeckt und eliminiert werden. In der Gentechnik dient sie der Kontrolle der genetischen Veränderung. Spezifische "Leucht-Gene" werden mit dem Gen, das in einen Organismus übertragen werden soll, gekoppelt und eingeschleust. War die Genübertragung erfolgreichen, so kann die manipulierte Zelle oder der Organismus nach dem Vorbild der Glühwürmchen-Reaktion zum Leuchten gebracht werden.

Ein kurzes Leben, von langer Hand vorbereitet

Das Leben eines Leuchtkäfers währt nur wenige Tage. Nach der Paarung und Eiablage sterben sie. Bevor uns die Glühwürmchen für kurze Zeit im Jahr erfreuen, fristen sie allerdings bereits etwa 3 Jahre als Larven ein unbeachtetes Dasein. Während dieser Zeit fressen sie jeden Tag eine mittelgroße Schnecke - ob mit oder ohne Haus - und leisten so einen guten Beitrag für unseren Gemüsegarten. Noch ein Grund mehr, diesen netten Tierchen wieder mehr Lebensraum zu schaffen. Denn um- oder ansiedeln lassen sie sich nicht. Sie kommen freiwillig oder gar nicht.

» Tipps für den Glühwürmchen freundlichen Garten

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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