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20.05.2024

07.04.2022

Wie süß!

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Schokolade
Bild: pixabay [CCO]
Seit sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der Rübenzucker etablierte und tropisches Zuckerrohr als Rohstoff ersetzte, wurde Zucker für jeden in Deutschland erschwinglich. Damit war sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten.

Obwohl mittlerweile als Dick- und Krankmacher in aller (kariöser) Munde, wird sich unter den Lesern wohl kaum jemand finden, der nicht - wenigstens ab und zu - nach einer zuckersüßen Leckerei greift. Immerhin wird der durchschnittliche Zuckerkonsum in Deutschland auf knapp 90 g pro Tag beziffert. Dagegen empfiehlt die WHO gerade einmal 25 g pro Tag als Höchstmenge.

Warum aber schmeckt uns Zucker eigentlich so gut? Die Vorliebe für Süßes ist uns angeboren. Bereits Säuglinge bevorzugen den süßen Geschmack gegenüber anderen Geschmacksempfindungen. Ein Blick in die weit zurückliegende Vergangenheit klärt uns schnell darüber auf: Das, was bitter ist, ist häufig giftig. Süßes dagegen, wie beispielsweise reife Früchte, liefert dem Körper wertvolle Energie. Diese war für unsere Urahnen überlebenswichtig; sie hatten damals deutlich andere Probleme als Übergewicht oder Diabetes.

Ein Blick in unser Gehirn zeigt, dass nach Zuckerkonsum die Wohlfühlhormone Serotonin und Dopamin ausgeschüttet werden, so dass übermäßiger Zuckerkonsum auch immer wieder als Suchtverhalten gedeutet wird. In der Wissenschaft ist die Existenz einer Zuckersucht allerdings umstritten.

In unserer industrialisierten Gesellschaft mit stark verarbeiteten Lebensmitteln im Überfluss ist es nahezu unmöglich, vollkommen auf Zucker zu verzichten. Er versteckt sich auf der Zutatenliste häufig hinter für Nicht-Chemiker schwer auszusprechenden Bezeichnungen, die meist auf "-ose" enden. Versetzt man das Lebens- oder Genussmittel dann mit jeweils kleinen Mengen an Fructose, Maltose, Glukose, Saccharose, Dextrose, Raffinose und Laktose, so kann man diese auch ganz legal sehr weit unten auf die Liste schreiben und über den tatsächlichen Zuckergehalt hinwegtäuschen.

Die von der WHO empfohlene Höchstmenge an Zucker entspricht etwa 8 Stückchen Würfelzucker pro Tag. Abgesehen davon, dass ich Menschen kenne, die diese Menge bereits mit zwei Tassen Kaffee zu sich nehmen, können auch einige Lebensmittel, die auf den ersten Blick gesund erscheinen, wahre Zuckerbomben sein. Ein Glas Multivitamin-Nektar enthält beispielsweise 7 Zuckerwürfel, ein Müsliriegel immerhin 4. Auch in sauren Gurken und Rotkohl aus dem Glas ist einiges an Zucker enthalten. Besonders tückisch ist Ketchup, der pro Esslöffel einen Zuckerwürfel enthält.

Aber trotzdem geht doch nichts über ein Stück (an manchen Tagen darf es auch mal eine ganze Tafel sein) Schokolade nach einem stressigen Meeting oder anstrengenden Arbeitstag. Nur allzu gern genießen wir doch das "Betthupferl" auf dem Kopfkissen im Hotelzimmer, in das wir auf der Dienstreise einchecken.

Auch wenn es Wissenschaftler gern widerlegen - gefühlt steigern Süßigkeiten unser Wohlbefinden. Daher sollte man sich zusätzlich zur empfohlenen gesunden und zuckerarmen Ernährung ruhig ab und zu eine Leckerei gönnen, statt asketisch und möglicherweise schlechtgelaunt auf jegliche Süßigkeit verzichten. Getreu dem deutschen Philosophen und Pädagogen Andreas Tenzer, der - vielleicht beim Genuss einer guten Schokolade - aufschrieb:

Das rechte Maß ist das Maß aller Dinge.
Andreas Tenzer (*1954)

» Versteckter Zucker in Lebensmitteln

» Zucker macht nicht glücklich

» Metastudie "Sugar rush or sugar crash?"

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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