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20.05.2024

18.11.2021

Die eigene Nase

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Brot im Überfluss
Bild: pixabay [CCO]
Nachhaltigkeit ist eines der großen Schlagwörter in allen aktuellen Diskussionen. Darunter fällt auch das Thema Lebensmittelverschwendung. Schließlich landen allein in Deutschland geschätzte 12 bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll - der Großteil davon noch einwandfrei.

Recherchen des ZDF haben ergeben, dass in einer mittelständischen Bäckerei mit 40 Filialen 700 Brote, 1.500 süße Teilchen und rund 10.000 Brötchen - Backwaren vom Vortag - jeden Morgen im Container landen. Hand aufs Herz - schmeißen Sie den Laib Brot, den Sie gestern beim Bäcker oder im Supermarkt erworben haben, heute weg, um einen neuen zu kaufen? - Vermutlich gehören Sie doch auch eher zu denjenigen Menschen, die ihr erworbenes Brot im Laufe der nächsten Tage verzehren, statt es zu entsorgen.

Aber gibt die Tatsache, dass wir unser Brot in der Regel essen, statt es wegzuschmeißen, uns das Recht, mit erhobenem Zeigefinger die mittelständige Bäckerei ob ihrer Verschwendung zu rügen? Eher nicht. Denn mittlerweile sind wir so sehr daran gewöhnt, auch kurz vor Ladenschluss das komplette Brotsortiment vorzufinden, dass wir eher dazu neigen, den Bäcker zu wechseln, als leere Brotregale zu akzeptieren. Damit trifft uns eindeutig eine Mitschuld an der Verschwendung durch Überproduktion. Einer Überproduktion, die solche Ausmaße angenommen hat, dass selbst die "Tafeln" Brotspenden dankend ablehnen müssen, da auch sie die Backwaren nicht mehr loswerden. Wir müssen uns also sehr wohl auch an unsere eigene Nase fassen, bevor wir über andere urteilen.

Mittlerweile gibt es mehrere kreative Ansätze, übriggebliebenes Brot an den Kunden zu bringen oder zu "recyclen" und Algorithmen, die anhand von Wetterdaten und anderen Kriterien versuchen auszurechnen, wie viele und welche Backwaren vermutlich gekauft werden.

Für jedes Brot, das weggeworfen wird, wurde unnötig Ackerfläche bewirtschaftet, Wasser verschwendet, Energie verbraucht und CO2 freigesetzt. Vielleicht sollten wir bei der Betrachtung unseres persönlichen Fußabdrucks mitberücksichtigen, dass wir nicht nur durch unser Konsumverhalten, sondern auch mit überzogenen Ansprüchen Einfluss auf unsere Umwelt nehmen.

Nicht nur für Brot, auch für Obst, Gemüse und verarbeitete Lebensmittel kann man solche Überlegungen anstellen und zahlreiche Beispiele finden. Immerhin stammen mehr als 50 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel aus Privathaushalten. Offensichtlich ist es so, dass wir als Nachfahren der Wirtschaftswunder-Generation den Überfluss als naturgegeben verinnerlicht haben.

In Frankreich ist das Wegwerfen von Lebensmitteln mittlerweile verboten - so weit ist Deutschland noch nicht. Hierzulande steht sogar noch das "Containern" unter Strafe. Immerhin findet in Teilen der Bevölkerung langsam ein Umdenken statt. Organisationen wie Foodsharing e.V. oder Aktionen wie "Zu gut für die Tonne" finden zunehmend Beachtung. Sie machen aber nur dann Sinn, wenn jeder Einzelne anfängt zu akzeptieren, dass auch ein etwas schrumpeliger Apfel, eine krumme Mohrrübe oder zwei Tage altes Brot wertvolle Lebensmittel sind. - Frei nach Martin Luther, der mit folgenden Worten zitiert wird:

Das ständige Vorhandensein macht eine Sache wertlos, Seltenes achtet man.
Martin Luther (1483-1546)

» App der Empa zur Vermeidung von "Food Waste"

» Tipps gegen Lebensmittelverschwendung

» Foodsharing e.V.

Autor:  

Anke Fähnrich

Anke Fähnrich


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