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31.05.2024

04.04.2019

Ja, ihr blöden Formulare: Ich bin kein Roboter!

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Wenn man - wie ich - beruflich dauernd im Internet unterwegs ist, braucht man oft ein dickes Fell. Webseiten die langsam oder unsicher sind, auf denen die Kontaktdaten bewusst versteckt werden, die fehlerhaft programmiert wurden, nur in Englisch verfügbar sind, in Kontaktformularen rechtswidrig zu viele Daten abfragen oder mich einfach nur ausspionieren wollen sind eher die Regel als die Ausnahme.

Mails, die gar nicht für mich bestimmt sind, mit offenem Verteiler versendet werden, zu viele und zu große Anlagen enthalten, einen beleidigenden Unterton haben oder die die formalen Grundlagen für eine geschäftliche Korrespondenz gar nicht erfüllen werden leider auch immer mehr. Von Newslettern, die ich gar nicht abonniert habe und den zahllosen Anfragen aus China will ich gar nicht reden.

Diese Dinge kann ich glücklicherweise ausblenden. Bei schlechten Webseiten ist eine bessere Alternative oft nur ein paar Mausklicks entfernt und unpassende Mails kann ich filtern, ignorieren oder Dank der DSGVO mit einer entsprechenden Beschwerde zukünftig vermeiden.

Danach bleiben noch zwei große Ärgernisse übrig, die man oft nicht umgehen kann: die hier schon thematisierten, weitgehend sinnfreien Cookie-Hinweise und nervige Prüfungen beim Absenden von Formularen, um zu beweisen, dass ich ein Mensch und kein Bot bin.

Kachelbilder
Ein Beispiel für nervige
Kachelbilderrätsel
Früher waren das ausschließlich die berüchtigten CAPTCHAs - mehr oder weniger gut lesbare Zahlen, Buchstaben oder Rechenaufgaben, die man lösen musste, um ein Formular abzuschicken. Oft waren diese so schwer zu lesen, dass weder Bot noch Mensch sie entziffern konnten, was nicht selten mit einem Verlassen der betroffenen Seite quittiert wurde und sicher jeden Leser schon genervt haben dürfte.

Laut Wikipedia vergeuden Internetnutzer weltweit pro Tag 150.000 Stunden mit der Lösung von CAPTCHAs - was für eine Zeitverschwendung! Bots können solche Aufgaben inzwischen besser als Menschen lösen, daher sieht man die klassischen CAPTCHAs auf immer weniger auf Webseiten.

Heute ist es mit den Kachelbildern ("Ich bin kein Roboter") - wie ich finde - eher noch schlimmer geworden. Hier muss ich dann teilweise fünfmal hintereinander alle Hydranten, Ampeln, Busse, Fußgängerüberwege, Schornsteine, Geschäfte von vorne, Treppenstufen, PKWs etc. auf mehr oder weniger schlecht aufgelösten Kachelbildern anklicken. Sicher kennen viele diese Bilder schon auswendig und sind davon reichlich genervt. Und auch die können die intelligentesten Bots heute schon knacken!

Natürlich müssen Formulare entsprechend abgesichert werden, aber dafür gibt es relativ triviale Lösungen ohne CAPTCHAs und Kachelbilder - sogar inzwischen von Google selbst! Besonders schlimm finde ich, dass der technologische Weltmarktführer Google diese unsägliche "Lösung" entwickelt und auch noch allen Webseitenbetreibern kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

Bilderrätsel
Flickr [CC BY]
Jetzt werden mir bei der Nutzung seiner weltbesten Suchmaschine in einem ICE die nervigen Kachelbilder angeboten, weil "ungewöhnlicher Datenverkehr aus meinem Computernetzwerk" festgestellt wurde. Das sind dann die 10-20 anderen ICE-Reisenden, die gerade auch etwas mit Google gesucht haben und alle dann die gleichen nervigen Klickaufgaben bekommen. Dabei waren wir alle froh, überhaupt ein stabiles Netz zu haben und dann das!

Liebes Google-Team: Ihr seid so toll in allem, was ihr tut! Aber erzählt mir nicht, dass ihr dafür keine intelligentere Lösung programmieren konntet. Schließlich unterscheidet Ihr unsere 10 Laptops bzw. Handys doch anhand von Cookies oder anderen Tracking-Techniken!

Und liebe Webmaster: Nicht alles, was kostenlos ist und von Google kommt, ist die beste am Markt verfügbare Lösung! Für eure Formulare findet Ihr leicht weniger nervige Absicherungsverfahren, schaut euch gerne auch mal die aktuelle Seite von Google dazu an. Sonst verprellt ihr noch Kunden und Interessenten mit eurem falschen Eifer!

Ein vortreffliches Zitat zu diesem Aufreger-Thema ist meiner Meinung nach das folgende, ursprünglich von René Descartes ("Cogito ergo sum") stammende und ins 21. Jahrhundert übersetzte:

Ich fluche, also bin ich. Am Computer.
Peter E. Schumacher (1941-2013)

Autor:  

Dr. Torsten Beyer

Dr. Torsten Beyer


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anonym11.07.2019 um 10:51:20

Aber durch die Bilderabfrage speist du dein menschliches Wissen ein und prüfst für Google automatische Bilderkennung. Dann ist ein Teil der Bilder schon vorher bekannt, ob da Bus oder Hydrant zu sehen ist und dann bei für Google unbekannten oder vermeintlichen Inhalten bestätigst du noch einmal, dass es wirklich das gesehene ist.

Also arbeiten wir alle gleichzeitig für Google. Und dann macht es für Google wieder Sinn, diese Variante auszustreuen.

Umsonst ist das Angebot somit nicht, sondern wir zahlen nur in einer anderen Währung als Geld.




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