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26.04.2024
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Phytochemische Untersuchung fermentierter pflanzlicher Extrakte

Millet, Agnès - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (2010)


Um ein umfassendes Bild verschiedener Stoffgruppen unter fermentativen Bedingungen zu erhalten, wurden phytochemische Untersuchungen von typischen Pflanzeninhaltsstoffen im Laufe der Herstellung fermentierter Urtinkturen aus frischen Pflanzen untersucht. Die Arbeit umfasste folgende Stoffgruppen und Pflanzen: die Alkaloide der Tabakblätter (Nicotiana tabacum), die Flavonoide der Birkenblätter (Betula pendula), der Zwiebel (Allium cepa) und des Johanniskrauts (Hypericum perforatum), die organischen Sulfoxide der Zwiebel, die Secoiridoide der Enzianwurzel (Gentiana lutea), die Sesquiterpenlactone der Arnika (Arnica montana) sowie die Phloroglucinole und Naphthodianthrone des Johanniskrauts. Es wurden HPLC bzw. GC Methoden entwickelt, die einen spezifischen Fingerprint der jeweiligen Extrakte ergaben. Drei dieser Methoden wurden zur Quantifizierung der Hauptinhaltsstoffe validiert. Für jede Pflanze wurde die Stabilität der fermentierten Extrakte ermittelt. Allgemein wurde beobachtet, dass bei instabilen Inhaltsstoffen der Abbau v. a. während der 1. Woche (Extraktionswoche) stattfand und dass die Urtinkturen am Ende der Lagerung (1 Jahr) chemisch stabil waren.

Im Einzelnen wurde folgendes beobachtet: Die Sesquiterpenlactone aus der ganzen Pflanze von Arnica montana waren stabil. Die Flavonoide erwiesen sich in den fermentierten Extrakten aus frischen Zwiebeln, Birkenblättern und Johanniskraut als sehr instabil. Der Flavonolabbau betrug 90-100% während der einjährigen Lagerung. In den Enzianwurzelextrakten zeigten die Secoiridoide ein unterschiedliches Verhalten: das Gentiopikrosid, Hauptkomponente, war sehr labil, während das Amarogentin, bitterster Stoff, in allen Extrakten stabil blieb. Das Iridoid Loganinsäure war in manchen Extrakten sehr stabil (mit einem max. Verlust von 0-10 % über 1 Jahr) und wurde in anderen Extrakten über 90% abgebaut. Die Xanthonderivate Gentisin und Isogentisin wurden gleichmäßig während der einjährigen Lagerung zu über 60 % abgebaut. Die Phloroglucinole und Naphthodianthrone des Johanniskrauts wurden unter den Herstellungsbedingungen nicht extrahiert. Nikotin war in Tabakblätterextrakten mäßig stabil, der max. Abbau betrug ca. 20% nach 1 Jahr. Die organischen Sulfoxide der Zwiebel konnten mit den verwendeten Methoden nicht erfasst werden.

Die entstandenen Folgeprodukte in den fermentierten Extrakten wurden mittels HPLC-UV, LC-MS und GC-MS analysiert und soweit wie möglich identifiziert. Es konnten folgende Abbauwege beobachtet werden: In den Zwiebelextrakten, die sich durch starke Umwandlungsraten der Inhaltsstoffe auszeichneten, wurden zahlreiche Folgeprodukte detektiert, die leider nicht zugeordnet werden konnten. Bei den Birkenblätterextrakten wurden die Quercetinglykoside zuerst deglykosyliert. Der Gehalt an Quercetin stieg dadurch in den 2 ersten Monaten der Herstellung bis über das 5-fache der Anfangskonzentration, um anschließend wieder abzusinken. Das Hauptphenolderivat 3,4'-Dihydroxypropiophenon 3-beta-glucosid wurde zu 3,4'-Dihydroxypropiophenon deglykosyliert, dem quantitativ wichtigsten Abbauprodukt. Zusätzlich wurde Chlorogen- und p-Cumaroylchinasäure zur entsprechenden Kaffee- bzw. p-Cumarsäure hydrolysiert.

Weiterhin konnten Spuren von weiteren Umsatzprodukten wie pHydroxyphenylpropionsäure, p-Hydroxyacetophenon und Catechol nachgewiesen werden, für die sowohl Quercetin als auch Kaffeesäure als Ausgangsverbindung in Frage kommen. Die Quercetinglykoside in den Zwiebel- und Johanniskrautextrakten waren ebenso sehr labil, wobei Quercetin nicht nur als Folgeprodukt, sondern von Anfang an in den Proben detektiert wurde. Eine absolute Zunahme des Peaks konnte nicht beobachtet werden. Trotzdem war Quercetin das Flavonol, das bis zuletzt nachgewiesen wurde. Bei den Enzianwurzelextrakten konnten zwei Abbauprodukte in sehr geringen Mengen isoliert werden, Erythrocentaurin und ein strukturähnliches Molekül, beide vermutlich aus Gentiopikrosid oder Swertiamarin entstanden. In den Tabakblätterextrakten waren die wesentlichen aus Nikotin gebildeten Produkte das 2Pyrrolidinon und das Nornikotin. Reinsubstanzen (Hyperosid für die Quercetinglykoside und Gentiopikrosid für die Secoiridoide) wurden den Herstellungsbedingungen der fermentierten Extrakte unterworfen und waren dabei sehr instabil. Allerdings konnte kein Abbauprodukt von Hyperosid detektiert werden und die gebildeten Abbauprodukte aus Gentiopikrosid waren in zu geringen Mengen vorhanden, um charakterisiert werden zu können.

Die fermentierten Zwiebelextrakte zeigten mäßige antimikrobielle Eigenschaften, v. a. gegenüber gramnegativen Bakterien (in Agardiffusionstests und Wachstumskinetik). Arnikaextrakte zeigten eine SL-konzentrationsabhängige entzündungshemmende Wirkung (in NF-kappaB EMSA): Die fermentierten Extrakte wiesen die kleinste SL-Konzentration und dabei auch die schwächste Wirkung auf.


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