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Einsatz einer modernen Gruppenbeitragszustandsgleichung für die Synthese thermischer Trennprozesse

Schmid, Bastian - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (2011)


Da bisherige Publikationen viel versprechende Resultate mit der von Ahlers vorgestellten, volumentranslatierten Peng-Robinson Gruppenbeitragszustandsgleichung zeigen, wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation zum Thema "Einsatz einer modernen Gruppenbeitragszustandsgleichung für die Synthese thermischer Trennprozesse" überprüft, in wieweit sich das VTPR-Modell als moderne Gruppenbeitragszustandsgleichung universell für den Einsatz zur Synthese und Auslegung thermischer Trennprozesse einsetzen und gegebenenfalls weiterentwickeln lässt.

Die VTPR-Gruppenbeitragszustandsgleichung setzt sich aus einer Vielzahl einzelner Komponenten zusammen, die jede für sich ihren Teil zu dem jeweiligen Vorhersageergebnis beiträgt. Durch eine genaue Betrachtung des Modells konnten im Rahmen dieser Arbeit einige Schwachstellen lokalisiert und im Detail verbessert werden. Durch die Extrapolation der unterkritischen Form der Twu-α-Funktion in den überkritischen Bereich wird jetzt ein Wechsel der Gleichungen am kritischen Punkt vermieden. Die α-Funktion ist folglich stetig differenzierbar und ermöglicht so auch die Berechnung von Exzessenthalpien und Wärmekapazitäten im kritischen Punkt. Eine weitere Änderung betrifft die Translationsparameter, die bislang meist mit Hilfe eines modifizierten Rackett-Ansatzes abgeschätzt worden sind. Dieser liefert jedoch strenggenommen nur für unpolare Komponenten kurzer bis mittlerer Kettenlänge gute Ergebnisse und wurde deshalb durch eine Berechnung als Differenz aus mit der Peng-Robinson-Zustandsgleichung vorhergesagten und experimentell ermittelten Dichten ersetzt. Ebenfalls überarbeitet worden ist die Vorschrift zur Zerlegung von Molekülen in ihre entsprechenden Gruppen. Das VTPR-Modell in der von Ahlers publizierten Form basierte auf den um Gase erweiterten Molekülzerlegungsvorschriften des UNIFAC-Modells. Die Umstellung auf eine Molekülzerlegung in Anlehnung an das erfolgreiche mod. UNIFAC (Do) Modell erlaubt eine wesentlich detaillierte Berücksichtigung von strukturellen Eigenschaften der einzelnen Moleküle. Zusammen mit der Modifikation einiger van der Waalsschen Gruppenoberflächenparametern ist es gelungen, die Vorhersagequalität von VTPR derart zu steigern, so dass sie sich auf dem Niveau von mod. UNIFAC (Do) befindet.

Für die Evolution von VTPR wurde das eigenständige Programmpaket "VTPR-PE" entwickelt, das sich grob in zwei Anwendungsbereiche unterteilen lässt. Zum einen können mit seiner Hilfe Gruppenwechselwirkungs- und van der Waalsschen Oberflächenparameter an experimentelle, binäre Phasengleichgewichtsdaten und Exzessgrößen angepasst werden, wobei auch ein simultanes Fitten möglich ist. Im Rahmen dieser Arbeit ist es außerdem gelungen, die Zielfunktion der Anpassungsprozedur so zu erweitern, dass Informationen über Flüssig-Flüssig-Gleichgewichte und azeotrope Punkte in der Parameteranpassung Berücksichtigung finden können. Weiterhin wurde die Software zur Anpassung von speziellen Parametern für die Löslichkeitsberechnung von n-Alkanen in Wasser sowie Korrelation experimenteller Daten unter Verwendung von UNIQUAC als gE-Modell eingesetzt.

Der zweite Anwendungsbereich des Programmpakets dient der Überprüfung der Anwendbarkeit von VTPR in der Synthese thermischer Trennprozesse. Hier kann anhand von verschiedenen Anwendungsgebieten gezeigt werden, dass sich das VTPR-Modell universell für den Einsatz in der Prozesssynthese eignet. Dazu gehört beispielsweise die Vorhersage azeotroper Punkte von Mehrkomponentensystemen, die Berechnung von Topologiekarten ternärer Systeme, Verteilungskoeffizienten, Dampf-Flüssig-Gleichgewichten, Phase Envelopes, Absorptionsvorgängen, Löslichkeiten, Extraktionsvorgängen und Flashs sowie die Vorhersage chemischer Gleichgewichte und die Auswahl von Entrainern. Dabei spielt es keine Rolle, ob das betrachtete System symmetrisch, asymmetrisch, polar oder unpolar ist und ob es aus zwei oder mehreren Komponenten besteht. Auf der Grundlage von zuverlässigen Gruppenwechselwirkungsparametern ist die volumentranslatierte Peng-Robinson-Gruppenbeitragszustandsgleichung in der Lage, die Anforderungen moderner Anlagendesigns zu erfüllen.

Im praktischen Teil der vorliegenden Arbeit wurden systematisch Dampf-Flüssig-Gleichgewichte von Systemen mit leicht siedenden Komponenten nach dem statisch-analytischen Prinzip sowie Exzessenthalpien bei tiefen Temperaturen gemessen. Diese Daten sind in die Erweiterung der Gruppenwechselwirkungsparametermatrix der volumentranslatierten Peng-Robinson Gruppenbeitragszustandsgleichung eingeflossen.


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