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Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in smektischen Flüssigkristallen vom de Vries-Typ

Nonnenmacher, Dorothee - Universität Stuttgart (2014)


Ziel dieser Arbeit war es, ein besseres physikalisches Verständnis der Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in smektischen Flüssigkristallen vom de Vries-Typ zu erarbeiten und damit eine Basis für rationale Synthesestrategien dieser wissenschaftlich wie technologisch interessanten Materialklasse zu schaffen. Im Sinne dieser Zielvorstellung wurden drei Aspekte bearbeitet: Der Mechanismus der Phasenumwandlung SmA - SmC vom de Vries-Typ, das rationale Design smektischer Flüssigkristalle vom de Vries-Typ sowie die ungewöhnliche Temperaturabhängigkeit der spontanen elektrischen Polarisation in einem ferroelektrischen Flüssigkristall vom de Vries-Typ.

Im ersten Teil der Arbeit zum Mechanismus der de Vries SmA-SmC-Phasenumwandlung ist es gelungen, aus 2D Röntgendiffraktogrammen smektischer Monodomänen präzise Daten über die smektische Schichtdicke, den Orientierungsordnungsparameter und den Direktorneigungswinkel simultan aus einem Experiment zu erhalten. Mit Hilfe dieser Daten gelang im Falle zweier Flüssigkristalle vom de Vries-Typ, die aufgrund endständiger Trisiloxangruppen nanosegregieren, der Nachweis, dass die durch die Direktorneigung in der SmC Phase verursachte Abnahme der smektischen Schichtdicke praktisch vollständig durch eine deutliche Erhöhung der molekularen Orientierungsordnung kompensiert wird. Somit ließ sich dieser schon seit längerem von verschiedenen Arbeitsgruppen postulierte Mechanismus im Rahmen dieser Arbeit erstmals experimentell klar bestätigen.

Aus den erhaltenen 2D Röntgendiffraktogrammen smektischer Monodomänen konnten außerdem erstmals aus Röntgendaten und ohne den Einfluss äußerer (elektrischer) Felder Absolutwerte für die mittlere quadratische Amplitude der molekularen Orientierungsfluktuationen abgeleitet werden. Dabei zeigte sich, dass in den beiden hier untersuchten Beispielen die temperaturabhängigen Orientierungsfluktuationen mit ca. 25° bis 35° sehr groß sind und sogar den mittleren Neigungs- bzw. Tiltwinkel von typischerweise 20° deutlich übersteigen. Im Bereich des SmA - SmC Übergangs zeigt sich zudem eine lambdaförmige Anomalie, die im Zusammenhang steht mit den sog. soft-mode Fluktuationen bei Phasenübergängen zweiter bzw. schwach erster Ordnung.

Im zweiten Teil wurden Untersuchungen zum rationalen Design von Flüssigkristallen vom de Vries-Typ durchgeführt. Hierfür wurden binäre Mischungen von konventionellen Flüssigkristallen ohne nanosegregierende Einheiten untersucht, bei welchen eine der Mischungskomponenten ausschließlich eine SmA-Phase, die andere ausschließlich eine SmC-Phase aufweist. Diese Mischungen zeigten im Phasendiagramm einen breiten Konzentrationsbereich mit einer SmA-SmC-Phasensequenz. Mit zunehmender Destabilisierung der SmC-Phase konnte der de Vries Charakter systematisch erhöht werden. Jedoch zeigten die Mischungen mit hohem de Vries Charakter durch die Destabilisierung der SmC-Phase nur noch einen optischen Tiltwinkel von unter 10°, der für mögliche Display-Anwendungen zu klein ist. Des Weiteren wurden nanosegregierte Mesogene mit unterschiedlich stark SmC fördernden Kerngruppen untersucht. Hier wurde der Tiltwinkel sowohl mittels einer feldfreien optischen Methode, als auch röntgenographisch bestimmt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass bei bestimmten Kerngruppen die Neigung der optischen Achse wesentlich größer ist, als die Neigung der Trägheitsachse. Damit konnte also geklärt werden, weshalb in diesen nanosegregierten Flüssigkristallen sowohl der optische Tiltwinkel, als auch der de Vries-Charakter erhöht ist. Mit diesen Ergebnissen liefert die Arbeit neue Beiträge zum Verständnis des Einflusses verschiedener Strukturelemente auf die Eigenschaften von Flüssigkristallen vom de Vries-Typ und damit auch wichtige Erkenntnisse für eine rationale Synthesestrategie.

Im dritten Teil konnte die ungewöhnliche Temperaturabhängigkeit der spontanen elektrischen Polarisation in einem nanosegregierten de Vries-artigen Flüssigkristall mit einer chiralen Epoxidgruppe vollständig geklärt werden. So konnte mit Hilfe einer Analyse mittels einer von Osipov et al. entwickelten molekularen Theorie gezeigt werden, dass der ungewöhnliche starke Anstieg der Spontanpolarisation bei gleichzeitiger Sättigung des Tiltwinkels auf einen Vorumwandlungseffekt in eine eigentliche ferroelektrische Phase zurückzuführen ist. Das ungewöhnliche stetige Verhalten bei einem A-C-Phasenübergangs erster Ordnung ist dabei auf das Zusammentreffen von Inversionstemperatur und Umwandlungstemperatur zurückzuführen. Dies resultierte aus Untersuchungen von Mischungen, welche eine temperaturabhängige Vorzeicheninversion der spontanen elektrischen Polarisation zeigten. Damit konnte neben der Klärung des ungewöhnlichen unstetigen Verhaltens der spontanen elektrischen Polarisation gezeigt werden, dass in diesen Systemen systematisch die Vorzeicheninversionstemperatur der spontanen elektrischen Polarisation verändert werden kann.


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