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Bestimmung des Verhältnisses von 228Th zu 228Ra in menschlichen Knochen zur Datierung des postmortalen Intervalls

Kandlbinder, Robert - Universität Regensburg (2010)


Ziel dieser Arbeit ist es, auf den Grundlagen von mathematischen Modellen ein neues Verfahren zur Bestimmung des Todeszeitpunktes bzw. der forensischen Liegezeit zu entwickeln. Die Methode nützt dazu die natürlichen, im menschlichen Knochengewebe vorkommenden Radionuklide 228Th und 228Ra. Ausgehend von einem altersspezifischen konstanten Verhältnis dieser beiden Radionuklide zum Todeszeitpunkt, können Rückschlüsse aus der Veränderung des konstanten Verhältnisses nach Eintritt des Todes auf den Todeszeitpunkt in einem Zeitfenster zwischen einem halben Jahr und zehn Jahren gezogen werden. Äußere Einflüsse, die zu einer Fehlabschätzung der forensischen Liegezeit führen, werden zum einen zuverlässig erkannt und kommen zum anderen sehr selten vor.

Die Aktivität von Thorium in menschlichen Knochen wird nach radiochemischer Abtrennung und Anreicherung mit Hilfe der α-Spektrometrie ermittelt. Die γ-Spektrometrie wird zur Bestimmung der Aktivität von Radium nach radiochemischer Abtrennung und Akkumulierung eingesetzt. 228Th und 228Ra können sowohl separat als auch gekoppelt analysiert werden.

In Kapitel 2 wird detailliert die Vorgehensweise bei der radiochemischen Analyse von menschlichen Knochen beschrieben. Das Kapitel 3 befasst sich mit der Qualitätssicherung der Messungen, zu der neben den Nulleffekten und Reagenzienblindwerten auch die notwendigen Kalibrierungen gehören. Die Berechnungen der Bestimmungsunsicherheiten runden schließlich dieses Kapitel ab. In Kapitel 4 werden experimentell die Grundlagen zur Datierung des postmortalen Intervalls verifiziert. Anhand von 17 Knochenproben wurde das Verhältnis der reduzierten Aktivitäten von 228Th und 228Ra zum Todeszeitpunkt für Erwachsene bestimmt. Es beträgt im gewichteten Mittel 0,32 und bestätigt somit den auf Modellen basierenden rechnerischen Wert von 0,33. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Bestimmung der forensischen Liegezeit ist der Einfluss von 232Th. Es konnte experimentell nachgewiesen werden, dass 232Th nicht signifikant im menschlichen Oberschenkelknochen vorkommt und somit keine Rolle bei der Bestimmung des postmortalen Intervalls spielt. Im Rahmen der Experimente entstand eine weltweit einmalige altersabhängige Übersicht von 228Th im menschlichen Oberschenkelknochen.

Das Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung der direkten Aktivitätsbestimmung von 228Ra in menschlicher Knochenasche. Durch die Abtrennung der Matrix konnte eine optimale Messgeometrie realisiert werden. Das Störnuklid 40K wurde in der selbst hergestellten, homogenen Referenzlösung zu mindestens 98 % abgetrennt. Grundlage dieser Optimierung ist die Bariummitfällung von Radium. Sie kann angewandt werden, da der verwendete Bariumträger chromatographisch aufgereinigt werden konnte und deshalb kein Radium eingeschleppt wird. Außerdem wurde der Beweis geführt, dass sich 133Ba als Ausbeutentracer eignet. Der Vergleich der ursprünglichen Methode mit der Mitfällungsmethode resultiert in einer Verbesserung der Nachweisgrenze um den Faktor 2,5 - 3 sowie einer Reduzierung der Messunsicherheit um den Faktor 2 - 3.

In Kapitel 6 werden verschiedene Verfahren zur Anreicherung von Thorium aus einer größeren Menge Knochenasche getestet. Die erfasste Knochenmasse ließ sich weder mit verschiedenen Mitfällungsreaktionen, noch mit ionenchromatographischen Verfahren noch mit der angewandten Flüssig-Flüssig-Extraktion steigern. Ursache für die schlechte Akkumulierung von Thorium aus der Aufschlusslösung der Knochenasche dürfte eine starke Komplexbildung zwischen Thorium und Phosphorsäure sein, die in hohen Konzentrationen in der Aufschlusslösung vorliegt. Mit der bestehenden Abtrennungsmethode gelingt es die erfasste Knochenmasse bis zu einer Äquivalentmenge von etwa 30 g Knochenasche zu erhöhen.

Das Kapitel 7 befasst sich mit der Leistungsfähigkeit der neu entwickelten Methode zur Bestimmung des postmortalen Intervalls. Eine Kontamination wird mit Hilfe der spezifischen Aktivität von 232Th sicher erkannt. Dies wurde anhand von vier exhumierten Knochenproben bewiesen. Durch die Optimierung der Radiumbestimmung können zwar noch keine absolut genauen Ergebnisse erzielt werden, aber es konnte eine Reduzierung der Bestimmungsunsicherheit erzielt werden, sodass ein engeres Zeitfenster der forensischen Liegezeit angegeben werden kann. Analog dazu konnte auch, durch den Wechsel des verwendeten Ausbeutentracer von 227Ac (227Th) auf 229Th, sowie durch die Erhöhung der analysierten Knochenasche von 10 auf 20 g, die Bestimmungsunsicherheit bei der Thoriumbestimmung verbessert werden. Die abschließende Betrachtung der berechneten Todeszeitpunkte auf der Grundlage der Messergebnisse dieser Studie erlaubt die zuversichtliche Einschätzung, dass bei relativ geringen forensischen Liegezeiten von unter 500 Tagen, der Todeszeitpunkt zukünftig, bei bis zu 70 % der Leichenfunde, auf ein halbes Jahr genau bestimmt werden kann. Längere forensische Liegezeiten führen zu größeren Abweichungen.

In Kapitel 8 wird eine alternative Methode zur Bestimmung des postmortalen Intervalls diskutiert. Die Grundlage dieser Methode ist jedoch ebenfalls die Bestimmung des Verhältnisses zwischen 228Th und 228Ra mit den gleichen Voraussetzungen und Bedingungen. Durch eine zweite, mindestens ein halbes Jahr, versetzt durchgeführte Thoriumbestimmung kann auf die Bestimmung der Aktivität von 228Ra verzichtet werden. Die Überreste von Säuglingen sind für die Anwendung dieser Methode prädestiniert, da sich die Aktivität von Thorium bei ihnen besonders deutlich ändert und häufig nur geringe Mengen an Knochenmaterial zur Verfügung stehen, die eine Radiumbestimmung gar nicht erlauben.

Die neu entwickelte Methode zur Bestimmung der forensischen Liegezeit ist zunächst nur eingeschränkt einsetzbar. Es besteht aber großes Potential, diese Methode als Instrument der Rechtsmedizin zu etablieren, da die Methode ein attraktives Zeitfenster abdeckt, nahezu völlig unabhängig von Einflussfaktoren ist und auftretende Kontaminationen, die zu einer falschen Berechnung des Todeszeitpunktes beitragen könnten, sicher festgestellt werden.


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