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29.03.2024
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Entwicklung und Bewertung von Pure Shift Experimenten für die Magnetische Resonanzspektroskopie gelöster Moleküle

Kaltschnee, Lukas - TU Darmstadt (2016)


Die Dissertation beschreibt methodische Entwicklungen im Feld der hochauflösenden Kernresonanzspektroskopie an gelösten Substanzen. Die Arbeit trägt zu dem Arbeitsfeld der homonuklearen Breitbandentkopplung bei, welche in der letzten Zeit als "pure shift NMR" erneut Aufmerksamkeit erregt. Die Arbeit ist in vier getrennte Projekte geteilt.

In Projekt A wird untersucht, ob es, durch das Einführen der homonuklearen Entkopplungsmethode, wie sie von ZANNGER und STERK vorgestellt wurde, zu Problemen bei der Messung von Signalintegralen in 1H, 2D NOESY und gradientenselektierten NOE Spektren kommt. Aus den Untersuchungen der homonuklear entkoppelten 1H Experimente wird geschlossen, dass die pure shift Aufnahmemethode tatsächlich zu einer Verzerrung der relativen Signalintegrale führen kann, welche für das untersuchte Testsystem aus Strychnin gelöst in CDCl3 bis zu 25% beträgt.

Es wird gezeigt, dass die gewählte Homoentkopplungstechnik trotz dieser Abweichungen die NOE-basierten Distanzmessungen für Daten mit hohem Signal-zu-Rausch-Verhältnis nicht wesentlich stört. Für Daten mit niedrigem Signal-zu-Rausch-Verhältnis, welche mit homonuklearer Breitbandenkopplung erhalten werden, wird geschlossen, dass der Ansatz zur homonuklearen Entkopplung die obere Grenze der detektierbaren Distanzen begrenzt. Für Distanzen, welche unterhalb dieser inhärenten durch Sensitivität hervorgerufenen Grenze liegen liefern die homonuklear entkoppelten Methoden aber genaue NOE-basierte Distanzen aus pure shift Spektren.

Projekt B beschreibt die Entwicklung und das Testen homonuklear entkoppelter HSQC Experimente, basierend auf den CLIP-/CLAP-HSQC Experimenten, welche für die exakte Messung von dipolaren Restkopplungen (RDCs) ausgelegt sind. Alle in diesem Kapitel beschriebenen Experimente ermöglichen die Extraktion der heteronuklearen Kopplungskonstanten in der hochaufgelösten Protonendimension der Experimente, welche teilweise oder volle Unterdrückung von homonuklearem Kopplungsmuster aufweist. Es wird in den aufeinander folgenden Arbeiten gezeigt, wie homonukleare Entkopplung entlang der spektralen Dimension der Kopplungskonstantenextraktion die Genauigkeit der experimentellen Bestimmung der RDCs verbessern kann.

Im ersten Teil des Projektes wird die Implementierung und Charakterisierung des F2-BIRD CLIP-/CLAP-HSQC Experiments beschrieben. Es wird gezeigt, dass die besagte experimentelle Technik qualitativ hochwertige Spektren mit deutlich reduzieren Signalweiten, sowohl bei Messung in isotroper Lösung als auch für schwach orientierte Proben, zeigt. Die Fähigkeit eines F2-BIRD HSQCs mit vollständiger heteronuklearer Entkopplung qualitativ hochwertige homonukleare Korrelationsspektren zu liefern wird für ein kleines Molekül als Testsubstanz und für ein kleines Protein (55 Aminosäreeinheiten, Penicillium antifungal protein) gezeigt.

Anschließend wird ein Ansatz zur homonuklearen Entkopplung präsentiert, welcher ein grundsätzliches Problem der BIRD Entkopplungsmethode umgeht - um es zu benennen, dass diastereotope Methylenprotonen nicht entkoppelt werden können, sondern phasenverzerrte Signale aufweisen. Die perfectBIRD Entkopplungsmethode umgeht dieses Problem, was zu vollständig homonuklear entkoppelten Spektren führt. Es wird ein F2-perfectBIRD CLIP-/CLAP-HSQC Experiment präsentiert, erneut mit der Absicht der Vermessung heteronuklearer Kopplungskonstanten über eine Bindung im Kontext der RDC-Extraktion. Um die Leistungsfähigkeit des Experiments zu bewerten wird sowohl die Genauigkeit der Kopplungskonstantenextraktion, als auch deren Reproduzierbarkeit getestet. Es wird gezeigt, dass im Besonderen für die diastereotopen Methylenprotonen, welche mit dem neuen homonuklearen Breitbandentkopplungselement nun vollständig entkoppelt werden, eine verbesserte Präzision der RDC Extraktion erzieht wird.

Nachdem gezeigt werden konnte, dass BIRD und perfectBIRD Entkopplung merkliche Vorteile für die RDC Extraktion liefern, werden Experimente getestet, welche BIRD Entkopplung in der Dimension der RDC Kopplungskonstantenextraktion mit einem real-time BIRD Homoentkopplungsansatz erzielen. (eingereicht bei RSC Advances) Diese Entkopplungsmethode kann genutzt werden, um den vollen homonuklear entkoppelten freien Induktionszerfall in deutlich verkürzter Experimentdauer im Vergleich zu den vorher diskutierten Fällen zu messen. Die schnelle Aufnahme des F2-real-time BIRD CLIP-/CLAP-HSQCs hatte anfänglich leider den Nachteil, dass sie für sie deutliche Einbußen in der Genauigkeit der Kopplungskonstantenextraktion in Kauf genommen werden mussten. Durch die Nutzung von Phasenzyklen während der Aufnahme konnte eine Methode gefunden werden, welche einen großen Teil der zunächst verlorenen Genauigkeit wiederherstellt. In Tests an einem kleinen Molekül als Testsubstanz, konnte im Vergleich mit dem Referenzexperiment ohne homonukleare Entkopplung, kein direkter Nachteil der Methode real-time Homoentkopplungsmethode, bezogen auf die Genauigkeit der RDC Extraktion, festgestellt werden.

Zusammenfassend brerichtet Projekt B von drei BIRD-basierten pure shift Techniken, welche sich gut zur Extraktion von heteronuklearen Kopplungskonstanten über eine Bindung eignen.

Projekt C nutzt direkt das in Projekt B vorgestellte perfectBIRD Homoentkopplungselement. Ein vollständig homo- und heteronuklear entkoppeltes F2-perfectBIRD HSQC Experiment wird präsentiert, welches für die Nutzung bei hohen Feldstärken ausgelegt ist. Das Experiment liefert direkten Zugang zur HSQC Korrelationsinformation mit bemerkenswert guter Signaltrennung. Die Nutzung der perfectBIRD Entkopplungsmethode ermöglicht hierbei eine Breitbandentkopplung, welche sogar für diastereotope Methylenprotonen erreicht wird.

Das Experiment wird an einem oligomeren Harnstoffderivat getestet, um die verbesserte Signaltrennung zu illustrieren. Diese wird durch eine kombinierte Erhöhung der effektiven Aufnahmedauer und durch den Effekt der homonuklearen Entkopplung erreicht. Homonukleare Entkopplung wird hierbei sogar für spektrale Regionen erreicht welche paare koppender Kerne enthalten. Eine Verringerung der Intensität von auftretenden Artefakten starker Kopplung durch die Verwendung von geeigneter Datenprozessierung könnte hierbei besonders interessant sein, falls sich herausstellt, dass das genutzte Konzept generell anwendbar ist.

Zuletzt präsentiert Projekt D eine praktische Lösung des lange vorhandenen Problems der Aufnahme von COSY-artigen Spektren mit in-phase artiger absorptiver Signalform. Das präsentierte CLIP-COSY Experiment erreicht diese wünschenswerten spektralen Eigenschaften sogar mit einem einzigen Messdurchlauf pro t1-Inkrement, und gibt so einen Zugang zu COSY-artigen Spektren mit einfacher Signalform in beiden spektralen Dimensionen. Es wird gezeigt, dass das Experiment die schnelle Aufnahme COSY-artiger Spektren mit vollständig absorptiven Signalen ermöglicht, da in-Phase Signale nicht den starken Sensitivitätsverlust aufweisen, der bei Antiphasensignalen auftritt, wenn nur eine geringe Auflösung in der indirekten Dimension verwendet wird. Es wird gezeigt, dass das Experiment einigermaßen robust gegen Signalverlust ist, welcher durch Austauschverbreiterung hervorgerufen wird - eine Situation, bei welcher anti-phasen Techniken oft ernsthaften Signalverlust aufweisen.

Zusätzlich schließt die Technik eine Lücke in der Gruppe der pure shift Experimente: Zuvor war eine Anwendung von anderen pure shift Techniken als die der Nutzung einer konstanten Evolutionszeit, aufgrund der antiphasen-Form der Signale, nicht möglich. Im Vergleich dazu ermöglicht das vorgestellte Experiment die Möglichkeit einer vielfachen Modifikation mit pure shift Techniken.

Zusammenfassend dokumentiert diese Arbeit Fortschritte in der Entwicklung verschiedener NMR Techniken, welche hochqualitative Information für die Studien gelöster Moleküle liefern.


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