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28.03.2024
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Entwicklung und Anwendung analytischer Methoden zur Bestimmung von Merkaptursäuren im menschlichen Urin als Metabolite wichtiger alkylierender Verbindungen

Eckert, Elisabeth - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (2011)


Viele alkylierende Verbindungen, die potentiell kanzerogen wirken, werden im großen Umfang als Ausgangsstoffe in der industriellen Polymerproduktion eingesetzt. Um das aus einer Exposition gegenüber einem solchem Arbeitsstoff resultierende, gesundheitliche Risiko bewerten zu können, kommt der Bestimmung der inneren Belastung im Rahmen des Humanbiomonitorings eine entscheidende Rolle zu.

Zur Bestimmung der Hintergrundgehalte von sechs Merkaptursäuren als Metabolite der kanzerogenen Gefahrstoffe Acrolein, Butadien, Ethylenoxid, Propylenoxid und Glycidol im Urin der Allgemeinbevölkerung gelang es ein valides und praxistaugliches Analysenverfahren zu etablieren. Dieses ermöglicht erstmals auch die Bestimmung von DHPMA (2,3-Dihydroxypropylmerkaptursäure), dem potentiellen Metaboliten des Glycidols im menschlichen Urin. Der DHPMA-Analytstandard wurde durch Eigensynthese hergestellt. Bei der Anwendung der entwickelten Analysenmethode auf Urinproben von 94 Probanden der beruflich nicht exponierten Allgemeinbevölkerung konnten für alle untersuchten Merkaptursäuren Hintergrundgehalte in unterschiedlichen Konzentrationsbereichen ermittelt werden. Als geeignete Biomarker einer Tabakrauchexposition bzw. einer Exposition gegenüber den darin enthaltenen alkylierenden Verbindungen, erwiesen sich die Metabolite HEMA, 2-HPMA, 3-HPMA, MHBMA und DHBMA, bei denen Rauchen zu einem signifikanten Anstieg der Gehalte im Urin führte. Der stärkste tabakrauchabhängige Einfluss war für 3-HPMA nachzuweisen, dessen Median in der Rauchergruppe gegenüber dem der Gruppe der Nichtraucher mehr als das Sechsfache betrug.

Des Weiteren wurde ein Verfahren zur Erfassung der Metabolite von 2-Chloropren und Epichlorhydrin entwickelt. Die potentiellen Chloropren-Biomarker wurden auf Grundlage der in-vitro-Untersuchungen von Munter et al. (2007) ausgewählt und durch Auftragssynthese bereitgestellt. Eine sensitive und zuverlässige Bestimmung der Merkaptursäure des Epichlorhydrins (CHPMA) sowie von fünf potentiellen Merkaptursäuren des Chloroprens (Cl-MA I, Cl-MA II, Cl-MA III, DHBMA und HOBMA) gelang mit einem online-SPE-HPLC-MS/MS-Verfahren. Das Analysenverfahren wurde auf Urinproben von 14 potentiell gegenüber Chloropren exponierten Beschäftigten angewandt. Im direkten Vergleich zu einer Kontrollgruppe von 30 Urinproben beruflich nicht exponierter Probanden, konnten in der exponierten Gruppe erhöhte Gehalte der Merkaptursäuren Cl-MA III, HOBMA und DHBMA festgestellt werden. Die potentiellen 2-Chloropren-Biomarker Cl-MA I und Cl-MA II konnten in den untersuchten Proben nicht nachgewiesen werden. Die chlorhaltige Merkaptursäure Cl-MA III wurde ausschließlich in Urinproben der beruflich exponierten Gruppe gefunden und konnte damit erstmals als spezifischer Chloropren-Metabolit beim Menschen nachgewiesen werden. Dies belegt indirekt die Bildung des Epoxids (1-Chlorethenyl)oxiran im menschlichen Metabolismus. Als Hauptmetabolit des Chloroprens wurde die Merkaptursäure DHBMA nachgewiesen, die zum spezifischen Chloroprenmetaboliten Cl-MA III eine signifikante Korrelation mit einem Ausscheidungsverhältnis von etwa 1 : 400 aufwies. Die Ergebnisse ermöglichen weiterführende Aussagen zur Biotransformation des Chloroprens beim Menschen. So erfordert die Bildung von DHBMA einen hydrolytischen Abbauschritt unter Dehalogenierung, der bislang noch nicht sicher in das Metabolismusschema eingeordnet werden kann. Die fehlende Korrelation zwischen den HOBMA- und DHBMA-Gehalten in den Urinproben der exponierten Gruppe weist darauf hin, dass HOBMA im Metabolismus von Chloropren nicht, wie zunächst angenommen, als Vorläuferverbindung von DHBMA fungiert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde anhand der nachgewiesenen Metabolite ein Vorschlag zur Biotransformation des Chloroprens erarbeitet, dessen Bestätigung durch weiterführende Arbeiten noch aussteht. Die Merkaptursäuren HOBMA, Cl-MA I und Cl-MA II konnten nicht eindeutig als Metabolite des Chloroprens nachgewiesen werden. Die Bildung des Epoxids 2-Chlor-2-ethenyloxiran im menschlichen Metabolismus lässt sich daher bislang nicht sicher bestätigen.

Zusammenfassend wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit zwei zuverlässige und empfindliche Analysenverfahren zur Erfassung der renalen Ausscheidung von Merkaptursäuren erarbeitet. Auf Basis der entwickelten Analysenverfahren unter Verwendung gezielt synthetisierter potentieller Metabolite konnten zahlreiche neue Biomarker etabliert und erstmalig im Rahmen eines Humanbiomonitorings eingesetzt werden. Zudem konnten wichtige Erkenntnisse zum Chloropren-Metabolismus beim Menschen gewonnen werden. Die bereits erhaltenen Ergebnisse zum Hintergrundgehalt verschiedener Merkaptursäuren ermöglichen es, die allgemeine Hintergrundbelastung gegenüber beruflichen und außerberuflichen Zusatzbelastungen abzugrenzen.


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