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29.03.2024
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Femtosekunden-Infrarot-Spektroskopie von dreiatomigen Pseudohalogenid-Ionen sowie organischen und anorganischen Pseudohalogenid-Verbindungen

Czurlok, Denis - Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (2015)


Die charakteristische, starke Resonanz dreiatomiger Pseudohalogenide im Frequenzbereich von 2000 cm-1 wurde als spektrale Sonde verwendet, um ultraschnelle Vorgänge in kondensierter Materie aufzuklären. Dazu wurden Lösungen des Thiocyanat-Anions in gewöhnlichem und schwerem Wasser bei verschiedenen thermodynamischen Bedingungen mittels Infrarot(IR)-Pump-Probe-Spektroskopie vermessen. Basierend auf den experimentellen Daten gelang es, ein Modell für den Schwingungsrelaxationsmechanismus zu entwickeln, welches die beobachtete gegenläufige Entwicklung der Schwingungsrelaxationskonstante mit steigender Temperatur in den verwendeten isotopologen Lösungsmitteln erklärt. Auf Fermis Goldener Regel gründend, berücksichtigt das Modell den spektralen Hintergrund des Lösungsmittels als ein Kontinuum, in welches die überschüssige Schwingungsenergie dissipiert wird. Temperaturinduzierte Änderungen der Zustandsdichte des Kontinuums erklären dabei die beobachtete Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten der Schwingungsrelaxation. Weiterhin erlaubt das Modell die Kopplung zwischen Lösungsmittel und Gelöstem für verschiedene Pseudohalogenid-Wasser-Systeme miteinander zu vergleichen, da die Kopplungsmatrixelemente aus Fermis Goldener Regel für verschiedene Pseudohalogenid-Wasser-Systeme relativ zueinander bestimmt werden konnten.

Zudem wurde die spektrale Diffusion innerhalb der ν3-Resonanz von Thiocyanat-Ionen in D2O mittels temperaturabhängiger zweidimensionaler(2D)-IR-Spektroskopie untersucht. Aufbauend auf den experimentellen Ergebnissen konnte herausgefunden werden, dass der Freiheitsgrad der Libration der Lösungsmittelmoleküle innerhalb der Solvathülle den Prozess der spektralen Diffusion innerhalb der untersuchten IR-Resonanz wesentlich bestimmt.

Weiterhin wurden auch Experimente mit Verbindungen durchgeführt, die Pseudohalogenid-Gruppen beziehungsweise Liganden enthalten. Einerseits waren in diesem Zusammenhang azid-markierte Nucleoside Gegenstand von Untersuchungen, andererseits fanden Studien zu ultraschnellen Dynamiken in Azido-Eisenkomplexen statt. In Ersteren lag der Schwerpunkt auf der Untersuchung der Lösungsmittelabhängigkeit der Schwingungsenergierelaxation nach Anregung der asymmetrischen Streckschwingung der Azid-Gruppe sowie der spektralen Diffusion innerhalb der IR-Resonanz. Dabei konnte festgestellt werden, dass für die Schwingungsenergierelaxation aufgrund der Ähnlichkeit der Relaxationszeit in verschiedenen Lösungsmitteln intramolekulare Relaxationspfade herangezogen werden müssen. Die Dynamik der spektralen Diffusion kann dagegen durch das Lösungsmittel beeinflusst werden, wobei der Einfluss entscheidend davon abzuhängen scheint, an welcher Stelle des Nucleosids die Azid-Gruppe lokalisiert ist.

Studien von Azido-Eisenkomplexen fanden an den Komplexverbindungen trans-Diazido(1,4,8,11-tetraazacyclotetradecan)eisen(III)hexafluorophosphat sowie Azido(1,4,8,11-tetraazacyclotetradecan-1-acetato)eisen(III)hexafluorophosphat gelöst in Acetonitril statt. Die Komplexkationen sind als Vorläufervebindungen für die Erzeugung von hochvalentem Eisen relevant. Der Fokus lag in dieser Arbeit auf der Erforschung der spektralen Diffusion innerhalb der IR-Resonanz der Komplexkationen bei etwa 2050cm-1 mittels 2D-IR-Spektroskopie sowie auf der Ergründung eines Mechanismus für die Schwingungsrelaxation nach Anregung dieser Bande. Als interne Referenz wurden auch freie Azid-Ionen in Acetonitril untersucht. Für beide Komplexkationen konnte ein äquivalenter, kombiniert intra- und intermolekularer Relaxationspfad für die Energierelaxation gefunden werden, der die biexponentielle Relaxationskinetik beschreibt. Interessanterweise ist die spektrale Diffusion in beiden Komplexen dagegen komplett verschieden. Während sie für das Monoazid auf der Zeitskala des Experiments eingefroren erscheint, findet sie für das Diazid mit einer Zeitkonstante von etwa 1 ps statt. Gestützt durch quantenchemische Rechnungen konnten hierfür intramolekulare Ursachen, in Form verschiedener Minimumkonformationen mit unterschiedlicher IR-Aktivität sowie ein dynamischer Symmetriebruch der globalen Minimumstruktur im Diazid mit Inversionssymmetrie ausgemacht werden.


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