Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
25.04.2024
Glossar durchsuchen

Linksammlung durchsuchen

Quantitative NMR-Spektroskopie in der pharmazeutischen Analytik -- Identität, Reinheit und Gehalt von Arzneistoffen

Beyer, Tanja - Julius-Maximilians-Universität Würzburg (2011)


Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Klärung der Fragestellung, ob sich die quantitative NMR-Spektroskopie zur Bestimmung von Identität, Reinheit und Gehalt von Arzneistoffen eignet, und wie sich Präzision und Empfindlichkeit dieser Methode im Vergleich zu etablierten chromatographischen Verfahren verhalten.

Die quantitative Untersuchung der drei strukturell jeweils verwandten Mehrkomponentengemische Codergocrinmesilat, Clomifencitrat und Flupentixoldihydrochlorid bewies eindrucksvoll die Eignung der 1H-NMR-Spektroskopie als orthogonale, analytische Messmethode im Vergleich zu validierten HPLC-Arzneibuchmethoden. Die im Rahmen einer Validierung der 1H-NMR-Methode ermittelten Ergebnisse erfüllten bezüglich Präzision und Richtigkeit die an eine im pharmazeutischen Bereich eingesetzte analytische Methode gestellten Anforderungen; zudem wurden weitere Prüfparameter wie Selektivität, Linearität, Robustheit und Stabilität verifiziert. Externe-Standard-Experimente wie "Zwei-Röhrchen-Methode" und ERETIC-Verfahren bestätigten die quantitativen Ergebnisse der Internen Standardisierung; jedoch wurde hier - insbesondere für die ERETIC-Technik - eine höhere Fehleranfälligkeit und somit eine größere Streuung der Einzelergebnisse beobachtet. Am Beispiel von Codergocrinmesilat und Flupentixoldihydrochlorid konnte zudem die Eignung anderer NMR-aktiver Kerne wie 13C und 19F für die quantitative Analyse von komplexen Substanzgemischen aufgezeigt werden.

Das Potential der 1H-NMR-Spektroskopie für die Reinheitsprüfung von Arzneistoffen wurde am Beispiel der Aminosäure L-Alanin aufgezeigt. Die zu erwartenden Verunreinigungen Glutamin-, Asparagin-, Äpfel- und Fumarsäure konnten im Gegensatz zu den "veralteten" Prüfmethoden des Europäischen Arzneibuches eindeutig identifiziert und quantifiziert werden; mit einer Bestimmungsgrenze von <= 0.03% wurden die Vorgaben der ICH-Richtlinie Q3A(R2) erfüllt. Die deutliche Übereinstimmung der NMR-spektroskopisch ermittelten Ergebnisse einer quantitativ untersuchten Alanin-Modellmischung mit einer für den Routinebetrieb geeigneten HPLC-Methode unter Einsatz verschiedener Detektoren wie CAD, NQAD, ELSD und MS, sowie der Vergleich wichtiger Prüfparameter wie Linearität und Nachweisgrenze bestätigten die Eignung der 1H-NMR-Spektroskopie im Rahmen der routinemäßig durchgeführten Qualitätskontrolle.

Die Aufdeckung von Arzneimittelfälschungen mit Hilfe der NMR-Spektroskopie wurde im Rahmen dieser Arbeit anhand der zwei aktuellen Fallbeispiele Heparin und Glycerin näher untersucht. Die in Zusammenhang mit dem Heparin-Skandal verantwortliche Kontaminante OSCS konnte neben Dermatansulfat und weiteren natürlich vorkommenden Glykosaminoglykan-Verunreinigungen im 1H-NMR-Spektrum eindeutig identifiziert und auf 0.1% OSCS bzw. 0.5% Dermatansulfat begrenzt werden. Eine präzise und richtige quantitative Bestimmung der beiden Glykosaminoglykane wurde über die N-Acetyl-Resonanzen mit Hilfe der Signalhöhenbestimmung und dem Standard-Additionsverfahren ermöglicht; deutliche Abweichungen vom "wahren" Gehalt wurden hingegen, bedingt durch starke Signalüberlagerungen, nach Flächenvergleich beobachtet. Weitere Verunreinigungen, insbesondere Lösungsmittelrückstände, die während des Extraktions- und Reinigungsprozesses des Heparins eingesetzt werden, konnten ebenfalls über charakteristische Resonanzen identifiziert und mit Hilfe der Internen-Standard-Methode quantitativ erfasst werden. Eine umfangreiche Untersuchung von 145 Heparin-API-Mustern mittels NMR-Spektroskopie und weiteren, neuentwickelten Verfahren wie HPLC, CE, IR- und Raman-Spektroskopie konnte die Eignung der entwickelten 1H-NMR-Methode bestätigen.

Potentielle Glycerin-Kontaminanten wie Diethylenglycol und Ethylenglycol konnten ebenso wie eine weitere, natürlich vorkommende Verunreinigung, Propylenglycol, mittels 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie identifiziert und quantifiziert werden. Beide Methoden erfüllten die in der USP beschriebenen Anforderungen, die für pharmazeutisch eingesetztes Glycerin jeweils höchstens 0.1% Diethylenglycol bzw. Ethylenglycol erlaubt. Während die quantitative Reinheitsprüfung beim Einsatz der 1H-NMR-Spektroskopie mit einer Messdauer im Bereich von etwa 30 min für den Routineeinsatz geeignet ist, ist die entwickelte quantitative 13C-NMR-Methode beim Einsatz von Spektrometern geringer Magnetfeldstärke aufgrund einer geringen Nachweisempfindlichkeit und der NOE-Problematik für den Routinebetrieb nur bedingt anwendbar.

Abschließend kann zusammengefasst werden, dass die untersuchten Beispiele die NMR-Spektroskopie als in hohem Maße geeignet für die quantitative Analyse von Arzneimitteln ausweisen.


» Volltext