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16.04.2024
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Diffuse Pflanzenschutzmitteleinträge in Gewässer angrenzend an Acker- und Weinanbau: Exposition, Effekte und Ableitung geeigneter Risikominderungsmaßnahmen

Bereswill, Renja - Universität Koblenz - Landau (2013)


Auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebrachte Pflanzenschutzmittel (PSM) können über diffuse Eintragswege wie beispielsweise Oberflächenabfluss auch in Gewässer gelangen, und damit eine Bedrohung für die aquatische Lebensgemeinschaft darstellen. Zum Schutz der aquatischen Gemeinschaft werden im derzeitigen Verfahren der deutschen PSM-Zulassung bereits bei Bedarf spezifische Anwendungsbestimmungen festgelegt. Über diese Maßnahmen hinaus, können jedoch weitere Ansätze sinnvoll sein, beispielsweise im Kontext eines Hot spot Managements wie es von der Richtlinie der Europäischen Union zum nachhaltigen Einsatz von PSM (2009/128/EC) gefordert wird.

Vor diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Dissertation Gewässer innerhalb einer Ackeranbauregion (10 Probestellen) sowie einer Weinanbauregion (9 Probestellen) in Deutschland hinsichtlich ihrer PSM-Exposition in Folge von Oberflächenabfluss und (mögliche) Effekte auf aquatische Makroinvertebraten untersucht, um zu überprüfen, ob eine Umsetzung von Risikominderungsmaßnahmen in diesen Gebieten notwendig wäre. Die Ergebnisse dieser beiden Freilanduntersuchungen zeigten, dass Gewässer in beiden Gebieten PSM-Konzentrationen ausgesetzt sind, in Folge derer Effekte auf die Makroinvertebratengemeinschaft zu erwarten sind. In der Ackeranbauregion war die beobachtete Toxizität dabei überwiegend auf die Insektizide Lambda-Cyhalothrin (in der Wasserphase) und Alpha-Cypermethrin (in der Sedimentphase) zurückzuführen. In der Weinanbauregion waren dagegen Rückstände von Fungiziden von übergeordneter Bedeutung und neben organischen Fungiziden wurden in diesen Gewässern außerdem ökotoxikologisch bedenkliche Kupferkonzentrationen in der Wasser- als auch in der Sedimentphase gefunden. In der Ackeranbauregion wurden neben der PSM-Exposition auch Effekte der PSM auf die Gemeinschaft der aquatischen Gemeinschaften im Freiland untersucht. Die Makroinvertebratengemeinschaft wurde insgesamt überwiegend von, gegenüber PSM toleranten Arten dominiert, was eine hohe PSM-Exposition an allen Probestellen vermuten lässt. Diese Vermutung spiegelt sich auch in den erhöhten PSM-Rückständen wider (logTUMax>-2; TUMax: Maximale Toxic Unit per sample), die in den Proben der Sedimentphase festgestellt wurden. An zwei Probestellennahm die Abundanz und Anzahl sensitiver Arten (indiziert durch das SPEcies At Risk-Indikatorsystem) in Folge toxischer Lambda-Cyhalothrinkonzentrationen in der Wasserphase (logTUMax>-0,6) ab. An gering mit PSM belasteten Gewässern (logTUMax<-3,5) konnte dagegen eine signifikante Beeinträchtigung sensitiver Makroinvertebraten nicht festgestellt werden. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass in beiden Untersuchungsgebieten die Umsetzung von Risikominderungsmaßnahmen zum Schutz der aquatischen Gemeinschaft vor PSM-Einträgen notwendig wäre.

Für Oberflächenabfluss werden häufig bewachsene Uferrandstreifen als Minderungsmaßnahme vorgeschlagen. Ein mindernder Einfluss auf die PSM-Konzentration mit zunehmender Breite konnte jedoch für die bereits in den Untersuchungsregionen vorhandenen Uferrandstreifen nicht festgestellt werden (Wasserphase: R = 0,06, p = 0,73, n = 41, Korrelation nach Spearman; Sedimentphase R=0,15, p = 0,32, n = 45, Korrelation nach Spearman). Dieses Ergebnis konnte in der Weinanbauregion auf die hohe Anzahl an befestigten Feldwegen und damit verbundener Wegeinleitungen zurückgeführt werden, die den Oberflächenabfluss in konzentrierter Form zügig in Richtung Gewässer ableiten, und damit die Reduktionseffektivität der Uferrandstreifen erheblich reduzieren. Ein ähnlicher Prozess fand vermutlich auch in der Ackeranbauregion statt, in Folge einer hohen Anzahl an Erosionsrillen, die ein flächenhaftes Eindringen des Oberflächenabflusses in den Randstreifen und damit eine effektive Filterung verhindern. Außerdem dürften Entwässerungsgräben, welche den Oberflächenabfluss von den landwirtschaftlichen Flächen in die Gewässer weiterleiten, zu den beobachteten PSM-Konzentrationen trotz breiter Uferrandstreifen beigetragen haben.

Um PSM-Einträge über Oberflächenabfluss effektiv zu reduzieren, sollten Risikominderungsmaßnahmen umgesetzt werden, die auf die jeweilig identifizierten Haupteintragswege (z.B. Einträge über Wegeinleitungen und Erosionsrillen) fokussieren. Als geeignete Maßnahmen wurden in den Untersuchungsgebieten mit Gras bewachsene Feldwege und bewachsene Gräben oder Rückhaltebecken identifiziert. Darüber hinaus kann auch die Optimierung bereits vorhandener Uferrandstreifen hinsichtlich ihrer Reduktionseffektivität sinnvoll sein. Insgesamt zeigen die Daten der beiden Freilanduntersuchungen die große Bedeutung, Risikominderungsmaßnahmen spezifisch für die jeweilige PSM-Belastungssituation von Gewässern zu identifizieren. Um diesen Prozess zu unterstützen wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation ein Leitfaden für die Identifizierung geeigneter Risikominderungsmaßnahmen an belasteten Gewässern entwickelt. Basierend auf einer Kartierung expositionsrelevanter landschaftlicher Parameter (Uferrandstreifenbreite, Uferrandstreifenvegetation, Bodenbedeckungsgrad des Uferrandstreifens, Bedeckungsgrad der Wasseroberfläche mit emersen Makrophythen, Gefälle der landwirtschaftlichen Flächen, Vorkommen konzentrierter Fließwege) wird ein Set an geeigneten Maßnahmen für die jeweilige Belastungssituation vorgeschlagen. Derzeit berücksichtigt der Leitfaden 12 landschaftsbezogene und sechs anwendungsbezogene Maßnahmen, und gibt einen Überblick der Effektivität dieser Maßnahmen Einträge über Oberflächenabfluss und Abdrift zu reduzieren, ihre Umsetzbarkeit und zu erwartende Akzeptanz seitens der Landwirtschaft. Basierend auf diesen Informationen kann der Anwender schließlich die jeweiligen Maßnahmen zur Umsetzung auswählen. Damit leistet der Leitfaden einen wichtigen Beitrag zur praktischen Implementierung von Minderungsmaßnahmen und damit dem Schutz aquatischer Ökosysteme vor PSM-Einträgen.


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