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25.04.2024
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Selbstorganisationsprozesse organischer supramolekularer Verbindungen im Bulk und in Kompositmaterialien durch Strukturaufklärungen mit NMR-kristallographischen Methoden

Schmidt, Marko - Universität Bayreuth (2014)


Die vorgelegte Arbeit befasst sich mit Struktur-Eigenschafts-Beziehungen ausgewählter organischer Verbindungen, die makroskopisch supramolekulare Objekte unterschiedlicher Dimensionalität ausbilden.

Dahingehend ist das Verständnis der Selbstorganisation der Nanoobjekte von fundamentaler Bedeutung. Als Werkzeug hierfür dienten Strukturaufklärungen mit Hilfe der NMR-Kristallographie. Makroskopisch betrachtet existieren 1D-Objekte typischerweise als faserartige Strukturen, während für 2D-Objekte oft plättchenartige Morphologien beobachtet werden. Auf kleineren Größenskalen ist die Deutung der zu Grunde liegenden Wachstumsmechanismen und somit der Einfluss von nichtkovalenten Wechselwirkungen, Dipolmomenten oder gar Makrodipolen aufgrund mangelnder Strukturinformationen nach wie vor anspruchsvoll. Die zur Erzeugung der Strukturmodelle aus Pulverdaten eingesetzten Realraummethoden wurden in Abhängigkeit von Größe und Flexibilität der Verbindungen geprüft und als sehr effizient eingestuft.

Zusätzlich wurde die neue Prozedur einer kraftfeldunterstützten Rietveldverfeinerung erfolgreich getestet, welche die klassische Methode der "rigid-body"-Verfeinerung wirksam verbessern konnte. Als eine erste 1D supramolekulare Verbindung wurde die Bulkkristallstruktur eines auf Basis von symmetrischen 1,3,5-Benzoltrisamiden (BTA) sehr effizienten Nukleierungsmittel für i-PP (isotaktisches Polypropylen) mit zusätzlich hervorragenden Kläreigenschaften gelöst. Dabei wurden mehrere Strukturmodelle basierend auf Röntgenpulverdaten erstellt, welche aber anhand der röntgenographischen Gütekriterien sowie klassischer 1D Festkörper-NMR-Spektroskopie nicht unterschieden werden konnten. Erst die Anwendung von quantitativen Doppelquantenexperimenten (DQ) an einer speziell synthetisierten 13C isotopenmarkierten Spezies führte zur korrekten Symmetrie. Anhand des Strukturmotivs wurden sowohl nichtkovalente Wechselwirkungen als auch Makrodipole als strukturdirigierende Elemente identifiziert.

Die Struktur des zuvor genannten Additivs wurde dann in i-PP aufgeklärt und damit eine langjährige Diskussion beendet. Dafür wurde die 13C angereicherte Spezies in für die Nukleierung angemessene Konzentration in eine i-PP Matrix inkorporiert. Die 13C markierte Verbindung wurde durch 13C CP MAS NMR Spektroskopie identifiziert, während 2D 13C DQ-Experimente eine räumliche Nähe der Additivmoleküle zueinander aufzeigten. Eine 13C DQ-Aufbaukurve der isotopenmarkierten Kerne im Kompositmaterial zeigte dabei eine exzellente Übereinstimmung mit der Aufbaukurve des reinen Bulkmaterials. Eine numerische Auswertung verschiedener struktureller Szenarien lieferte schließlich den Beweis der kolumnaren Anordnung des Additivs im Polymer. Eine Anbindung zwischen den Additivclustern und dem Polymer wurde aber nicht beobachtet. Um eine Anbindung des Polymers an die Additivcluster mittels NMR-Spektroskopie möglichst sichtbar zu machen, wurde ein neues 19F markiertes BTA synthetisiert. Auch hier lag der Fokus zunächst auf der Bestimmung der Kristallstruktur des Bulkmaterials. Durch ab initio Methoden aus Röntgenpulverdaten konnte ein Strukturmodell in einer monoklinen Metrik gewonnen werden. Dieses wurde sowohl qualitativ als auch quantitativ durch FK-NMR-Spektroskopie und quantenchemischen Simulationen verifiziert.

Es zeigte sich, dass keine für diese Substanzklasse typische hexagonale Stabpackung mit einem schnellen eindimensionalen Wachstum ausgebildet wurde, sondern vielmehr eine H-Brücken vermittelte zweidimensionale Zick-Zack-Struktur. Der Einfluss des 19F-Substituenten schien dabei ausschlaggebend zu sein für den bisher selten existenten frustrierten Strukturtyp innerhalb der Klasse der BTAs. Als weiterführende Studie wurden drei strukturverwandte cyclohexanbasierte Verbindungen synthetisiert und ihre morphologischen und strukturellen Aspekte untersucht. Dabei zeigte sich aus REM-Aufnahmen, dass alle Derivate zweidimensionale Nanostrukturen mit großen Aspektverhältnissen ausbilden. Die makroskopische Plättchenmorphologie konnte dann durch Bestimmung der Kristallstrukturen mit Hilfe der NMR-Kristallographie auch auf der Nanoskala erklärt werden. Es wurde gezeigt, dass das Zusammenspiel aus der räumlichen Anordnung der Moleküle in der Elementarzelle sowie einem intensiven Wasser-stoffbrückennetzwerk für die Zweidimensionalität verantwortlich war. Dipolmomente oder gar Makrodipole, welche für das anfangs erwähnte BTA-System bedeutend waren, zeigten keinen Einfluss auf die Strukturbildung.


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