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29.03.2024
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Erweiterung der Gruppenbeitragsmethode Modified UNIFAC (Dortmund) zur Beschreibung und Vorhersage von Systemen mit ionischen Flüssigkeiten

Nebig, Silke - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (2010)


Die Zielsetzung dieser Arbeit war es, den Anwendungsbereich der Gruppenbeitragsmethode Modified UNIFAC (Dortmund) auf Systeme mit ionischen Flüssigkeiten zu erweitern. Da bisher nur wenige Informationen über das thermodynamische Verhalten von ionischen Flüssigkeiten in binären Mischungen zur Verfügung standen, war die systematische Vergrößerung der experimentellen Datenbasis ein erster wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.

Im experimentellen Teil dieser Arbeit wurde daher die Datenbasis für Systeme mit ionischen Flüssigkeiten durch systematische Messungen von Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung, Exzessenthalpien, Dampf-Flüssig-Gleichgewichten und Flüssig-Flüssig-Gleichgewichten erheblich erweitert. Zur Ermittlung der Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung standen mit der Dilutor- Technik und der Gas-Flüssig-Chromatographie (GLC) zwei unabhängige Messmethoden zur Verfügung. Mit der Dilutor-Technik wurden insgesamt 287 Datenpunkte in einem Temperaturbereich von 303.15 K bis 343.15 K und mit der Gas-Flüssig-Chromatographie 228 Datenpunkte in einem Temperaturbereich 303.15 K bis 333.15 K bestimmt. Für die Bestimmung der Exzessenthalpien der 53 binären Systeme wurde ein isothermes Durchflusskalorimeter eingesetzt.

Der Temperaturbereich der ermittelten endothermen und exothermen Mischungswärmen, welche insbesondere wichtige Informationen über die Temperaturabhängigkeit von &gamma:i und Stützstellen bei höherer Temperatur liefern, lag zwischen 353.15 K und 413.15 K. Die im Anhang dieser Arbeit ebenfalls aufgeführten binären Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichte wurden mit Hilfe einer statischen Phasengleichgewichtsapparatur unter isothermen Bedingungen erhalten. Mit dieser Messmethode wurden insgesamt 48 binäre Gemische mit verschiedenen polaren und unpolaren Komponenten mit ionischen Flüssigkeiten gemessen.

Im experimentellen Teil dieser Arbeit sollte des Weiteren eine Analysemethode zur Bestimmung der Zusammensetzung von Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten gefunden werden. Für die Untersuchungen der ternären Flüssig-Flüssig-Gleichgewichte wurden zwei unterschiedliche Methoden angewandt. Bei der ersten Methode wurde die Zusammensetzung der Proben mittels 1H-Kernspinresonanzspektroskopie ermittelt. Bei dieser Untersuchungsmethode ist die Auswahl der Systeme jedoch stark limitiert, da es in vielen Systemen zur Überlagerung der auswertungsrelevanten Peaks im Spektrum kommt, so dass viele Systeme auf diese Weise gar nicht untersucht werden können oder aufgrund von konzentrationsabhängigen Verschiebungen der Peaks nur in bestimmten Konzentrationsbereichen.

Bei der zweiten Ermittlungsmethode wurden die Proben sowohl gaschromatographisch als auch mit der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) untersucht. Mit Hilfe des Gaschromatographen ließ sich das Verhältnis der beiden leichtflüchtigen Komponenten bestimmen, während die Anteile der ionischen Flüssigkeit und der aromatischen Verbindung mit zwei unterschiedlichen Detektoren (UV-VIS für Aromaten und Verdampfungsstreulicht für ionische Flüssigkeit) der HPLC ermittelt wurden. Diese Art der Zusammensetzungsbestimmung ist mit einem großen experimentellen Aufwand verbunden und wird dadurch sehr zeitintensiv. Des Weiteren gestaltet sich die zuverlässige Ermittlung der Kalibrierkurve für die ionische Flüssigkeit mit dem Verdampfungsstreulichtdetektor als schwierig, da sich aufgrund der Einwaage nur sehr geringer Mengen an ionischer Flüssigkeit schnell Fehler ergeben.

Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass beide Methoden noch keine optimale Lösung zur Ermittlung der ternären Flüssig-Flüssig-Gleichgewichte darstellen.

Im theoretischen Teil dieser Arbeit galt es, wie bereits oben erwähnt, das Modified UNIFAC (Do)-Modell auf Systeme mit ionischen Flüssigkeiten zu erweitern. Die experimentell ermittelten binären Daten der Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung, der Exzessenthalpien und der Dampf-Flüssig-Gleichgewichte dienten, zusammen mit bereits vorhandenen und in der Dortmunder Datenbank gespeicherten Literaturdaten, zur Anpassung der für die Entwicklung der Gruppenbeitragsmethode Modified UNIFAC (Do) erforderlichen Gruppenwechselwirkungsparameter sowie zur Überprüfung der Anwendbarkeit des Modells.

Wie die Untersuchungen im Kapitel 3.4 zeigten, lassen sich mit den im Rahmen der Modellentwicklung erhaltenen Wechselwirkungsparameter für ionische Flüssigkeiten nicht nur die zur Anpassung verwendeten Datensätze beschreiben, sondern auch binäre und ternäre Systeme, die nicht mit in die Anpassung eingeflossen sind. Die gute Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Experiment lässt den Schluss zu, dass sich Modified UNIFAC (Do) auch für die Beschreibung dieser außergewöhnlichen Stoffgruppe eignet.

Beim Vergleich der Gruppenbeitragsmethode mit dem quantenchemischen Modell COSMO-RS (Ol) schneidet das Modified UNIFAC (Do)-Modell bei Betrachtung der für die verschiedenen ionischen Flüssigkeiten gemeinsam untersuchten Datenbasis deutlich besser ab. Insbesondere die Vorhersagen der Systeme mit aromatischen Kohlenwasserstoffen führen beim COSMO-RS (Ol)-Modell zu einer fehlerhaften Vorhersage der Temperaturabhängigkeit. Nur in einzelnen Fällen zeigen die Vorhersagen mit dem COSMO-RS (Ol)-Modell geringere Abweichungen zu den experimentellen Daten. Obwohl Modified UNIFAC (Do) offensichtlich die deutlich besseren prädiktiven Resultate liefert, sollte bei der Bewertung nicht außer Acht gelassen werden, dass die verwendete Datenbasis für einige Gruppenwechselwirkungsparameter sehr klein war und es sich bei der Berechnung dieser Systeme eher um eine Korrelation als um eine richtige Vorhersage handelt.

Eine Überarbeitung der Hauptgruppen, für die bei der Anpassung der Gruppen wechselwirkungsparameter nur wenige Datenpunkte zur Verfügung standen, ist aufgrund der Vorhersagefähigkeit des Modells zu einem späteren Zeitpunkt, hinsichtlich einer Anwendung in entsprechenden Softwaretools im Rahmen der Verfahrensentwicklung zur Auswahl der optimalen ionischen Flüssigkeit, beispielsweise als Zusatzstoff in der Trenntechnik, sicherlich erstrebenswert. Ob ionische Flüssigkeiten abgesehen von den jetzigen Anwendungen zukünftig jedoch in einem breiten Feld eingesetzt werden und ob sie sogar als Mondteleskop mit Flüssigspiegel eine Reise zum Mond antreten werden, steht heute noch in den Sternen.


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