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Chemisch-molekularbiologische Studien zur Substratspezifität von Ketosynthase-Domänen in trans-AT-Polyketidsynthasen

Kohlhaas, Christoph - Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (2013)


Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Substratspezifität verschiedener trans-AT Ketosynthasen untersucht und Oligomere für das ARCUT-basierte Schneiden der Psymberin-DNA synthetisiert. Weiterhin wurden Substrate für die Aufklärung der Misakinolid-Biosynthese und cis-4-Propenylprolin für die Analyse der Hormaomycin-Biosynthese hergestellt.

Viele medizinisch relevante Naturstoffe wie, Erythromycin A, werden von modularen Typ I Polyketidsynthasen (PKS) gebildet. Dabei inkorporiert im Allgemeinen jedes Modul über eine Claisen-artige Kondensation einen Acylbaustein in eine wachsende Polyketidkette und reicht den verlängerten Metaboliten zum nachfolgen Modul weiter. Die Biosynthese des Antibiotikums I wurde unter anderem von Khosla et al. und Staunton et al. eingehend untersucht, und anhand dieser "Lehrbuch-PKS" wurde das Colinearitätsprinzip aufgestellt. Mit diesem ist es möglich von der Architektur der PKS auf die Struktur des produzierten Polyketids zu schließen. Ebenso kann bei bekannter Struktur des Naturstoffes der modulare Aufbau der PKS vorhergesagt werden. Jedoch wurde in den letzten Jahren gezeigt, dass eine weitere Gruppe innerhalb der Typ-I-PKS existiert, für die das Colinearitätsprinzip meistens nicht zutrifft. Bei diesen sogenannten trans-AT-PKS sind die Acyltransferasen (AT) nicht als Domänen in die Module integriert, sondern sind freistehende Proteine, die mit den PKS-Modulen interagieren. Trans-AT-PKS haben sich evolutiv unabhängig von den "Standard"-(cis-AT)-PKS entwickelt und zeichnen sich, neben den alleinstehenden AT, durch eine ungewöhnliche Architektur der Module aus. Die Funktion der Module oder einzelner Domänen innerhalb dieser ist bisher nur schlecht verstanden. Sowohl Psymberin, als auch Bacillaen wurden als Produkte einer trans-AT-PKS identifiziert. Dabei wurden für die Biosynthese des Antibiotikums Bacillaen in Studien von Piel et al. fast alle Biosyntheseschritte aufgeklärt. Die Untersuchung von trans-AT-PKS ist von großem Interesse, da viele der produzierten Polyketide von pharmakologischem Interesse sind.

Innerhalb der PKS katalysieren Ketosynthasen (KS) die Claisen-Kondensationsreaktion zwischen der wachsenden Polyketidkette und dem Verlängerungsbaustein. Interessanterweise zeigte eine phylogenetische Analyse von Piel et al., dass die Gensequenzen der KS mit den Strukturen der jeweilig prozessierten Intermediate korrelieren. Anhand dieser Sequenzkorrelation scheint es möglich zu sein ein Regelwerk zur Vorhersage von Strukturen aus trans-AT-PKS ähnlich dem Colinearitätsprinzip zu erstellen. Bislang basiert das postulierte Prinzip jedoch ausschließlich auf In-silico-Daten. In der vorliegenden Arbeit sollte die Substratspezifität erstmals experimentell untersucht und validiert werden. Für die Analyse wurde eine neue In-vitro-Methode entwickelt, mit der eine schnelle und zuverlässige Aussage über KS-Spezifitäten möglich ist. Nach der Proteinexpression einzelner KS-Domänen wurden diese mit synthetisierten N-Acetylcysteamin-Substraten (SNAC-Substrate) inkubiert und die resultierende Acylierung der Proteine mittels Massenspektrometrie analysiert. Die KS-Domänen wurden von Annette Kampa aus der AG Piel exprimiert und die Inkubationsversuche in einer Kooperation mit Matthew Jenner aus den AG Oldham an der Universität Nottingham (UK) durchgeführt. Für einen Proof of Principle wurden die erste, zweite und dritte KS (KS 1, KS 2, KS 3) aus der Psymberin-PKS, sowie die fünfte KS (KS 5) aus der Bacillaen-PKS untersucht. Anhand der phylogenetischen Analyse wurde vorhergesagt, dass die Substratspezifität nur bis zur β-Position nach der Thioesterbindung stark ausgeprägt ist. In dem Proof-of-Principle wurden daher kurzkettige Substrate mit Modifikationen in α-β-Position getestet. In den Inkubationsassays wurde tatsächlich eine Substratspezifität in trans-AT-KS nachgewiesen, die in verschiedenen KS unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Nach dem Proof-of-Principle wurden für weitere Studien die Bacillaen KS 1, KS 2, KS 4 ausgewählt, da diese in für die kombinatorische Biosynthese interessanten Modulen der PKS lokalisiert sind. Für die Studien wurden für die jeweilige KS SNAC-Analoga des entsprechenden natürlichen Substrats synthetisiert. Dabei wurden sowohl Volllängensubstrate, als auch verkürzte Substrate hergestellt. Die Synthese der Thioester für Untersuchung der KS 1 erfolgte unter Standard-Peptidkupplungsverfahren. Die Inkubationsassays der KS 1 mit den Substraten zeigte eine ausgeprägte Substratspezifität der KS 1 bezüglich der α-Position: der das natürliche Intermediat imitierende Thioester wurde bevorzugt acyliert. Das Alanin-Analogon wurde in wesentlichen schlechteren Raten akzeptiert, wohingegen für die sterisch anspruchsvollen Substrate keine Acylierung beobachtet wurde. Mit der Testung der Thioester wurde gezeigt, dass die NH-Gruppe der Amidfunktion die Substratspezifität der KS 1 signifikant beeinflusst. Vermutlich beeinflussen NH-Interaktionen mit Aminosäuren in der Nähe des aktiven Zentrums des Proteins die Acylierung. Der Vergleich der Acylierungsraten von den Substraten ergab keine neuen Erkenntnisse zum Oxidationsgrad der δ-Position im natürlichen Substrat.

Anhand der Inkubation der KS 2 mit den SNAC-Analoga wurde die Substratspezifität in γ,δ-Position untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass distal der β-Position die Spezifität relaxiert. Die Thioester wurden in vergleichbaren Raten acyliert. Interessanterweise wurde für das natürliche Analogon, vermutlich aufgrund einer Substratdimerisierung, keine Acylierung detektiert. Durch den Proteinassay mit dem SNAC-Substrat wurde gezeigt, dass die KS 2 bis zur β-Position spezifisch agiert. Das Substrat wurde nicht akzeptiert.

Die KS 4 prozessiert ein cis-konfiguriertes, α,β-ungesättigtes Substrat. Für die Untersuchung der Substratspezifität wurden vier Thioester synthetisiert. Bislang wurde die KS 4 noch nicht erfolgreich exprimiert, sodass die Substratspezifität erst in folgenden Studien untersucht werden kann.

In der vorliegenden Arbeit wurde die vorhergesagte Substratspezifität in trans-AT-PKS zum ersten Mal in vitro bestätigt. Die Studien belegten eindrucksvoll, dass die Spezifität wie postuliert bis zur β-Position stark ausgeprägt ist und danach nachweislich abfällt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sollte es in Zukunft einfacher sein, neue trans-AT-Cluster zu analysieren. Auch im Hinblick auf die kombinatorische Biosynthese wurden mit den Ergebnissen wichtige Erkenntnisse gewonnen, die die Chancen für erfolgreiche Generierung artifizieller Polyketide verbessern.

In einem weiteren Teilprojekt der Arbeit wurden Substrate zur Analyse der Biosynthese des trans-AT-Polyketids Misakinolid A synthetisiert. In vorangegangenen Studien von Dr. Agustinus Uria aus der AG Piel wurde über einen metagenomischen Ansatz die Biosynthese des Naturstoffes untersucht und ein Biosyntheseweg vorhergesagt. Anhand der Analyse wurde postuliert, dass eine Pyransynthase (PS) in Modul 15 integriert ist, die eine intramolekulare Michael-Addition katalysiert. Um diese Hypothese zu verifizieren, sollte die Substratspezifität der KS 16 untersucht werden. Dafür wurde sowohl das Pyransubstrat, als auch der offenkettige Thioester synthetisiert. Die Domäne wurde bislang noch nicht exprimiert, sodass erst nach erfolgreicher Proteinproduktion in einer Folgestudie die Spezifität untersucht werden kann.

Ein weiteres Projekt der vorliegenden Arbeit war die Synthese von cis 4 Propenylprolin. Für die Analyse der Biosynthese des Hormaomycins wurde der Peptidbaustein entsprechend der literaturbekannten Synthese hergestellt. In Arbeiten von Dr. Max Crüsemann und Xiaofeng Cai aus der AG Piel wurden durch Fütterungsexperimente mit dem im Rahmen dieser Arbeit synthetisierten Prolinderivat zum einem ein Regulatorgen für die Biosynthese des Bausteins entdeckt. Zum anderen wurde gezeigt, dass die das Prolin prozessierende Adenylierungsdomäne substratspezifisch agiert.

Im letzten Teilprojekt der vorliegenden Arbeit wurden Oligomere für ein hochspezifisches Schneiden der Psymberin-DNA synthetisiert. Das anti-kanzerogen wirkende Psymberin ist in seinem Wirt in sehr geringem Titer enthalten. Der genaue Produzent von Psymberin wurde bislang noch nicht ermittelt, und der Schwamm, aus dem Psymberin isoliert wurde, ist mit dem jetzigen Stand der Technik nicht kultivierbar, sodass über eine heterologe Expression der Psymberin produzierenden Gene die Bioverfügbarkeit des Polyketids verbessert werden sollte. Für diese Experimente ist es notwendig die Psymberin-DNA an einer definierten Stelle zu schneiden. Das ARCUT-System (künstlicher DNA-Schneider, engl.:artificial restriction DNA cutter) bietet die Möglichkeit einer hochspezifischen DNA-Spaltung an einer ausgewählten Stelle. Die für die ARCUT-vermittelte DNA-Spaltung benötigten Oligomere wurden über modifizierte Merrifield-Festphasensynthese hergestellt. In Folgearbeiten sollte die Psymberin-DNA mittels ARCUT selektiv gespalten werden können.


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