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28.03.2024
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Analyse und Modulation des Tumormetabolismus in humanen Tumorzelllinien und Tumorgeweben

Kastenberger, Michael - Universität Regensburg (2012)


Dysregulationen in Stoffwechselwegen, wie z.B. dem Glukosemetabolismus, die eine Anreicherung von Metaboliten wie Laktat im Tumormilieu verursachen, sind typisch für Tumore. Unsere Arbeitsgruppe konnte mehrfach zeigen, dass Laktat die Reifung und Funktion von Immunzellen moduliert. Erstes Ziel dieser Arbeit war es, ein metabolisches Profil dysregulierter Stoffwechselwege in Tumorzelllinien im Vergleich zu Normalzellen auf genetischer Ebene zu erstellen. Dazu sollten die entsprechenden Metaboliten in Zellkulturüberständen nachgewiesen werden. Hierzu wurden mehrere Tumorzelllinien unterschiedlicher Herkunft mit RT-qPCR auf die RNA-Expression entsprechender Gene untersucht. Es zeigte sich, dass Tumorzelllinien keine starken Veränderungen im Lipidstoffwechsel (COX1 und COX2) gegenüber Immunzellen zeigten. Interessanterweise war aber COX2 insbesondere in primären Monozyten stark exprimiert. Da COX2 laut Literatur im Tumor häufig überexprimiert ist, könnte dies darauf hindeuten, dass nicht Tumorzellen selbst, sondern infiltrierende Immunzellen für die Überexpression mitverantwortlich sind.

Ähnliches zeigte sich bei Expression wichtiger Enzyme des Aminosäurestoffwechsels, der IDO1, der iNOS sowie der ARG2. Weiterhin wurden verschiedene Enzyme, des Glukosestoffwechsels analysiert. Hier waren LDHA sowie GLUT1 verstärkt in den Tumorzelllinien exprimiert. Zudem fanden wir eine gegenüber Normalzellen gesteigerte Laktatsekretion von Tumorzellen. Dem gegenübergestellt wurden mit Hilfe der PreSens-Technologie Sauerstoffverbrauch und pH-Änderungen des Kulturmediums im Zeitverlauf bestimmt und wir fanden, dass die analysierten Tumorzellen eine deutliche Atmungsaktivität aufwiesen. Auch auf mRNA-Ebene konnte die Expression der PDH sowie der MDH eine mitochondriale Aktivität der untersuchten Tumorzelllinien bestätigen. Dies deutet darauf hin, dass in Tumoren eine hohe Glykolyserate nicht unbedingt mit einer niedrigen Respiration korreliert ist.

Da Tumorzelllinien nur ein Modellsystem für primäre Tumore darstellen, wurde im Anschluss daran das metabolische Profil verschiedener primärer Tumore analysiert. Hierbei wurden Biopsien unterschiedlicher Tumortypen verwendet und mit dem entsprechenden Normalgewebe derselben Patienten verglichen. Im Fall des Nierenzellkarzinoms bestätigten sich die Zellkulturanalysen und wir konnten zeigen, dass LDHA, GLUT1 und MCT1 im Tumorgewebe auf mRNA- und Proteinebene überexprimiert ist. Hier konnten wir auch eine Korrelation zwischen einer hohen GLUT1-Expression und einer schwachen Infiltration von CD8+ T-Zellen nachweisen [108]. LDHB war dagegen im Tumorgewebe erniedrigt. Im Urothel- und hepatozellulären Karzinom waren GLUT1 und LDHA tendenziell erhöht. Dies deutet darauf hin, dass der Warburg-Phänotyp nur bei bestimmten Tumoren stark ausgeprägt ist. Auch die IDO1 war im Nierenzellkarzinom überexprimiert, nicht aber COX1/2 sowie ARG1 oder iNOS.

Die Abhängigkeit des Tumorwachstums von einer gesteigerten Glykolyse wurde anschließend in vitro untersucht. In MelIm und B16.SIY E12 wurde die Glykolyse und die Expression der LDHA sowohl pharmakologisch als auch genetisch supprimiert. Es zeigte sich, dass die pharmakologische Suppression der Glykolyse mittels 2-DG deutlich das Tumorwachstum in vitro inhibiert. Hierzu wurde der synergistische Effekt von 2-DG mit Dexamethason untersucht. Zusätzlich wurde die Expression der LDHA mittels shRNA-Konstrukt in MelIm und B16.SIY E12 stabil herunterreguliert. Dies hatte in vitro keinen Effekt auf das Tumorwachstum. Im Vergleich dazu wurden dieselben Zelllinien in immundefiziente Rag1-/- -Mäuse injiziert und deren Wachstumsverhalten in vivo untersucht. In den Rag1-/- -Mäusen zeigen die LDHA-herunterregulierenden Klone keine nennenswerten Wachstumsdifferenzen im Vergleich zu den Kontrollen, wie auch schon in vitro beobachtet.

Die genetisch veränderten murinen Zelllinien wurden auch in immunkompetente C57/BL6-Mäuse mit verschiedenen Zelldichten injiziert. Dabei konnte bei allen Zelldichten beobachtet werden, dass die Kontrollzellen wesentlich größere Tumore bildeten als die LDHA-herunterregulierenden Tumorzellen. Zudem war die Tumoranwachsrate in niedrigen Zelldichten bei den wenig Laktat sezernierenden Klonen im Vergleich zu den Kontrollen deutlich geringer als in hohen Zelldichten. Dies könnte bedeuten, dass die verringerte Laktatsekretion starke Auswirkungen auf T-Zellen hat und somit das Tumorwachstum in der immunkompetenten Maus kontrolliert.

Diese Experimente in immunkompetenten und immundefizienten Mäusen deuten auf einen immunsuppressiven Effekt des Laktats in vivo hin. Veränderungen im Stoffwechsel von Tumoren werden momentan hauptsächlich diagnostisch genutzt, bieten aber in Zukunft interessante Ansätze zur Therapieentwicklung. Besonders der Glukosemetabolismus stellt hier ein interessantes Ziel für die Entwicklung von Kombinationstherapien, zusammen mit Strahlen-, Chemo- oder Vaccinierungstherapien, dar.


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