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19.04.2024
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Spektroskopie an individuellen chlorosomalen Lichtsammelkomplexen des grünen Schwefelbakteriums Chlorobaculum Tepidum

Jendrny, Marc - Universität Bayreuth (2014)


Chlorosome sind die größten und wichtigsten Lichtsammelkomplexe der grünen Schwefel- und nicht-Schwefelbakterien. Ihre Aufgabe ist die Absorption von Photonen und der Transfer der Energie bis hin zum Reaktionszentrum. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die elektronische Struktur und die exzitonischen Zustände einzelner Chlorosome des Chlorobaculum tepidum Wildtyp und bchR Mutanten untersucht.

Sowohl die Chlorosome des Wildtyp, als auch die des bchR Mutanten wurden durch Absorptions- und Fluoreszenz-Emissionsspektroskopie an Ensembleproben charakterisiert. Einzelne Chlorosome wurden daraufhin bei Raumtemperatur und 1,5 K untersucht. Von jedem der untersuchten Chlorosome wurde eine bestimmte Anzahl von Fluoreszenz-Anregungsspektren aufgenommen und nach jeder Aufnahme wurde die Polarisation der Anregungsstrahlung um einen bestimmten Winkel gedreht. Auf diese Weise wurden polarisationsaufgelöste Fluoreszenz-Anregungsspektren erhalten. Im Gegensatz zu den bei Raumtemperatur aufgenommen polarisationsaufgelösten Fluoreszenz-Anregungsspektren, dessen Durchschnittsspektren breite Banden ohne Besonderheiten aufweisen, zeigen die bei 1,5 K aufgenommenen Spektren ausgeprägte Schultern auf den nieder- oder hochenergetischen Flanken des Maximums der Durchschnittsspektren. Die Analyse der Spektren und der frequenzabhängigen Modulationstiefe zeigt, dass bei tiefen Temperaturen strukturelle Fluktuationen unterdrückt werden und die in Chlorosomen enthaltenen BChl Molekülaggregate in bestimmten Konformationen eingeschlossen werden. Bei Raumtemperaturaufnahmen wird über derartige Konformationen gemittelt und die Spektren erscheinen somit homogener.

Es wurde eine Methode zur globalen Analyse der polarisationsaufgelösten Fluoreszenz-Anregungsspektren in Analogie zu zerfalls-assoziierten Spektren (DAS) entwickelt, über die sogenannte polarisations-assoziierte Spektren PAS erhalten wurden. Bei dieser Analyse wurden die polarisationsaufgelösten Fluoreszenz-Anregungsspektren mit zwei globalen und zwei frequenzabhängigen lokalen Parametern gefittet. An jeder spektralen Position wird das polarisationsaufgelöste Fluoreszenz-Anregungsspektrum mit zwei cos2 modulierten Funktionen entlang der Polarisation gefittet. Der Nullphasenwinkel und der Phasenwinkel der cos2-Funktionen sind dabei die globalen Parameter. Die Amplituden der cos2-Funktionen sind die Intensitäten der PAS an der jeweiligen spektralen Position. Sowohl die polarisationsaufgelösten Fluoreszenz-Anregungsspektren der Chlorosome des Wildtyps als auch des bchR Mutanten wurden mittels dieser Methode ausgewertet. Die Analyse der Spektren der Wildtyp Chlorosome liefert breite Verteilungen der spektralen Schwerpunkte der Durchschnittsspektren und der PAS, sowie der Differenz der spektralen Schwerpunkte der PAS.

Anders verhält es sich bei den Ergebnissen aus Analyse der Spektren der Chlorosome der bchR Mutanten. In diesem Fall sind die Verteilung verglichen mit denen des Wildtyp eng und deuten auf eine Reduktion der Probenheterogenität. Der Phasenwinkel ist in beiden Fällen eng um ungefähr 90° verteilt, was auf orthogonal zueinander orientierte exzitonische Übergangsdipolmomente der BChl Moleküle hinweist. Es wurden Computersimulationen verschiedener BChl Molekülaggregate durchgeführt. Für die strukturelle Nahordnung wurde eine Einheitszelle, die durch NMR Experimente gefunden wurde, herangezogen. Die strukturelle Fernordnung wurde durch zwei einzelwandige Zylinder unterschiedlicher Durchmesser, einen doppelwandigen Zylinder, der aus den einzelwandigen Zylinder zusammengesetzt wurde, zwei dreidimensionale Spiralen unterschiedlicher Durchmesser und eine zweidimensionale, planare Lamelle realisiert. Die durch die Simulationen der Aggregatmodelle erhaltenen Spektren sind kompatibel mit den experimentell aufgenommenen Spektren.

Im Falle der Wildtyp Chlorosome wurde geschlussfolgert, dass ein Gemisch verschiedener BChl Molekülaggregate im Inneren der Chlorosome enthalten ist und das kleinere Aggregate einen entscheidenden Einfluss haben. Im Falle des bchR Mutanten wurde vermutet, dass hauptsächlich größere Aggregate aufgrund der reduzierten strukturellen Heterogenität das Innere eines Chlorosoms ausfüllen. Nicht-wechselwirkende zweidimensionale, planare Lamellen wurden in beiden Fällen ausgeschlossen. Es muss allerdings erwähnt werden, dass wechselwirkende oder gewellte Lamellenaggregate nicht simuliert wurden und möglicherweise Zwischenräume, die zwischen röhrenartigen Aggregaten entstehen ausfüllen könnten.

Generell wurde gezeigt, das Spektroskopie bei tiefen Temperaturen und an individuellen Komplexen eine potente Methode darstellt, die Eigenschaften aufzeigt, die unter Raumtemperatur- oder Ensembleexperimenten verborgen bleiben. Der Vergleich zwischen experimentellen Befunden und denen numerisch simulierter Modelle ermöglicht Aussagen über die Kompatibilität hypothetischer und realer Pigmentanordnungen.


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