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24.04.2024
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Untersuchungen der intramolekularen Kopplungsprozesse der spannungssensitiven Phosphatase Ci-VSP

Hobiger, Kirstin - Technische Universität Berlin (2012)


Phosphatidylinositol-Phosphate (PIP) sind an einer Vielzahl intrazellulärer Signalkaskaden beteiligt. Funktionseinschränkungen von Proteinen, die in den PIP-Metabolismus eingreifen, führen zu schweren Krankheiten, wie z.B. Krebs. Die spannungssensitive Phosphatase Ci-VSP aus der Seescheide Ciona intestinalis ist ein Modellprotein, an dem PIP-selektive Katalysemechanismen auf molekularer Ebene untersucht werden.

Ci-VSP besteht aus zwei funktionellen Modulen: (1.) einer transmembranen Spannungssensor- (VSD) und (2.) einer zytosolischen katalytischen Domäne (CD), die nochmals in eine Phosphatase- (PD) und eine C2-Domäne unterteilt wird. Beide Module sind über die mehrfach positiv geladene Linkersequenz M240-K257 miteinander verbunden.

Bei depolarisierenden Membranpotentialen laufen in der VSD Konformationsänderungen ab, die zur Aktivierung der PD führen, wodurch sie selektiv die Kopfgruppen von PIP-Membranlipiden dephosphoryliert. Im VSD-CD-Kopplungsprozess spielt der Linker eine essentielle Rolle, da er nach der Aktivierung der VSD über elektrostatische Wechselwirkungen an die negativ geladene Membranoberfläche bindet und dabei die CD an die Membran rekrutiert, wodurch die enzymatische Katalyse initiiert wird. Um die funktionelle Rolle des Linkers detaillierter aufzuklären, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Cystein-Scanning-Mutagenese der gesamten M240-K257-Sequenz durchgeführt. Die generierten Mutanten wurden in den Oozyten des Krallenfroschs Xenopus laevis heterolog exprimiert und elektrophysiologisch mittels der Zwei-Elektroden-Spannungsklemme charakterisiert. Die Analyse der PD-Aktivität erfolgte in Koexpressionsexperimenten mit den PI(4,5)P2-sensitiven Kaliumkanälen KCNQ2/KCNQ3.

Zudem wurde die VSD-Dynamik aller Ci-VSP-Mutanten untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass sich N-terminale Linkermutationen (M240C-K257C) weniger dramatisch auf die VSD-CD-Interaktion auswirken als C-terminale (Q250C-K257C). Mit A242C, R245C, K252C und Y255C wurden vier Konstrukte mit einer vollständig aufgehobenen PD-Aktivität identifiziert. Aufgrund der Periodizität des Mutationseffekts im N- und C-terminalen Linker wurden alpha-helikale Strukturelemente in diesen Bereichen vermutet. Außer K252C wiesen alle katalytisch inaktiven Mutanten zudem eine beschleunigtere VSD-Kinetik auf als das unmutierte Protein (Wildtyp). Durch die K257Stop-Mutante, bei der die CD des Proteins deletiert war, konnte nachgewiesen werden, dass der Verlust der CD-Membranbindung die Beschleunigung der VSD-Kinetik hervorrief. Hieraus wurde geschlussfolgert, dass die Mutationen A242C, R245C und Y255C die Proteinmodule voneinander entkoppeln.

Im Gegensatz dazu wies die katalytisch inaktive Mutante K252C eine dem Wildtyp ähnliche VSD-Kinetik auf und schien somit nicht für die Membranbindung der CD verantwortlich zu sein. Daher wurde vermutet, dass der Linker noch andere Prozesse als nur die Membranbindung der CD vermitteln könnte.

Um diese Frage zu klären, wurde ein dreidimensionales Homologiemodell der Ci-VSP-Struktur konstruiert, dessen Dynamik simuliert wurde. Anhand der Simulationsergebnisse konnte bekräftigt werden, dass sich im gesamten, überwiegend alpha-helikal strukturierten Linker Aminosäuren befinden, die über Salzbrücken mit den negativ geladenen Lipidkopfgruppen an der Membran interagieren. Hierbei spielt R245 eine besondere Rolle, da die Interaktionen dieser Seitenkette mit der Membran einen strukturellen Bruch im Linker verursachen, wodurch sich der C-terminale Linkerbereich zur PD hin ausrichtet und sich Salzbrücken zwischen K252, R253 im Linker und D400 und E402 in der PD ausbilden. D400 und E402 befinden sich dabei in einem von drei Loopregionen, die die katalytische Bindungstasche der PD bilden und stabilisieren, dem TI-Loop.

Von den Wechselwirkungen zwischen Linker und TI-Loop wurde die R253-D400-Salzbrücke als die kritischste für die Ci-VSP-Funktionalität identifiziert, da Mutationen beider Positionen zu einer Modulentkopplung führten, was sich in einer nahezu aufgehobenen PD-Aktivität und einer beschleunigten VSD-Kinetik widerspiegelte. Weitere Untersuchungen zeigten auf, dass der Kontakt zwischen Linker und TI-Loop neben den elektrostatischen auch durch hydrophobe Interaktionen stabilisiert wird, die insbesondere durch die Aminosäuren Y255 im Linker und F401 im TI-Loop vermittelt werden. Zudem stabilisieren auch die negativ geladenen Kopfgruppen an der Membranoberfläche die Interaktion zwischen Linker und TI-Loop.

Anhand der hier erhaltenen Daten wurde eine Hypothese über den Ablauf des linkervermittelten VSD-CD-Kopplungsprozesses entwickelt, bei dem die Interaktionen zwischen Linker und TI-Loop entscheidend für die Formierung der katalytischen Bindungstasche und somit für die Aufrechterhaltung der enzymatischen Aktivität der PD ist. Mit diesen Ergebnissen wird das Wissen über den spannungsabhängigen Aktivierungsmechanismus des Ci-VSP-Proteins erweitert und vertieft.


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