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28.03.2024
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Graphen als Flammschutzmittel in Thermoplast-Kompositen

Dittrich, Bettina - Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (2014)


Seit der erstmaligen erfolgreichen Isolierung von Graphen gilt das zweidimensionale Kohlenstoff Nanomaterial mit der Dicke eines Atoms als vielversprechender Füllstoff für multifunktionale Polymerwerkstoffe. Die Multifunktionalität beinhaltet auch die erwartete Flammschutzwirkung von Graphen Nanopartikeln. In der vorliegenden Arbeit wurde Graphen hinsichtlich seiner Flammschutzwirkung und seines Einflusses auf Werkstoffeigenschaften wie die elektrische Leitfähigkeit in Polymer Nanokompositen charakterisiert.

Durch den Vergleich mit anderen, kommerziell erhältlichen, Kohlenstoffmaterialien mit unterschiedlicher Morphologie (sphärisch, Röhren, dicke Plättchen aus 50 bis 100 Graphen Lagen und dünne Schichten aus 10 Graphen Lagen) wurde die Effektivität von Graphen eingeordnet und Rückschlüsse über die Struktur-Eigenschafts-Beziehungen zwischen Partikelmorphologie und Nanokomposit Merkmalen gezogen. Graphen wurde mit halogenfreien Flammschutzmitteln, die Vertreter der unterschiedlichen Flammschutzmechanismen (chemische und physikalische Wirkungsweise, Gas- und Festphasenaktivität) sind, kombiniert. Dabei wurde die Einsatzmöglichkeit von Graphen als Hilfsstoff zur Verbesserung der Flammschutzwirkung der verwendeten halogenfreien Systeme untersucht.

Die Untersuchungen umfassten den thermischen Abbau, die Entflammbarkeit und das Verhalten während einer erzwungenen Verbrennung, aber auch Schlüsselexperimente. Die Schlüsselexperimente führten zum tieferen Verständnis der beobachteten Brandeigenschaften durch die Aufklärung von Wirkmechanismen und Struktur-Eigenschafts-Beziehungen. Die teilweise selbstkonzipierten und -entwickelten Schlüsselexperimente umfassten das rheologische Verhalten, die Partikelverteilung, die Wärmeabsorption und -leitfähigkeit, die strukturelle Qualität des Brandrückstandes und den Temperaturverlauf innerhalb und an der Rückseite einer brennenden Probe.

Der dünne Schichtpartikel Graphen war besser in der Polymermatrix dispergiert als die zu vergleichenden Kohlenstoffmaterialien. Graphen bildete bei vergleichsweise niedrigeren Konzentrationen ein zusammenhängendes Partikelnetzwerk aus, das für die elektrische Leitfähigkeit der Komposite verantwortlich ist und die Viskosität der Polymerschmelze erhöhte. Durch das Zusammenwirken von erhöhter Schmelzviskosität und dem Labyrinth Effekt des Partikelnetzwerkes verschob Graphen den Beginn des Polymerabbaus am deutlichsten zu höheren Temperaturen. In den Entflammbarkeitstests Sauerstoffindex und UL 94 führte die erhöhte Schmelzviskosität aufgrund fehlenden Abfließens und Abtropfens zur vermehrten Bereitstellung von Brennstoff und abhängig vom Matrixpolymer teilweise zu einer Verschlechterung der Einstufung.

Die ausschließlich festphasenaktive Flammschutzwirkung von Graphen beruhte auf der Bildung einer Rückstandschicht, die aus den jeweiligen Kohlenstoffpartikeln bestand und als Hitzeschild wirkte. Im Vergleich zu den anderen Kohlenstoffmaterialien hatte die Rückstandsstruktur der Graphen Komposite eindeutig die höchste Qualität und reduzierte die (maximale) Wärmeabgaberate am stärksten. In Kombination mit den halogenfreien Flammschutzsystemen bestimmte das Wirkprinzip der einzelnen Systeme die Verwendbarkeit von Graphen als Hilfsmittel.

Ein kommerzielles, intumeszentes Flammschutzmittelsystem reagierte sehr empfindlich auf die durch Graphen erhöhte Viskosität der kondensierten Phase und tolerierte nur sehr geringe Graphenmengen ohne Verschlechterung der Intumeszenz. In einem gasphasenaktiven Flammschutzmittel fügte Graphen durch Rückstandsbildung einen Festphasenmechanismus hinzu und senkte die Brandausbreitung und somit das Brandrisiko noch einmal deutlich. Graphen und ein rückstandsbildendes Metallhydroxid verstärkten sich synergistisch hinsichtlich der Rückstandsqualität und der Entflammbarkeitstests.

Mit den erhaltenen Ergebnissen ist eine umfassende Charakterisierung der Struktur-Eigenschafts- Beziehungen zwischen Partikelmorphologie und Kompositeigenschaften und die Einordnung von Graphen in die Reihe der Kohlenstoff-Nanopartikel möglich. Die aufgeklärten Wirkprinzipien von Graphen in Nanokompositen, wie auch in Kombination mit unterschiedlichen Flammschutzsystemen, bilden die Grundlage für eine weitere Optimierung des zweidimensionalen Kohlenstoff-Nanomaterials Graphen als Flammschutzmittel.


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